Konkret gehe es darum, dass “an den Grenzen schon Asylverfahren stattfinden können”, betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. “Das heißt, dass bereits dort die Registrierung und Erfassung und Identifizierung der Geflüchteten stattfinden wird”, so die Ministerin im deutschen Fernsehen. Im Zuge eines “Ausgleichs” innerhalb der EU sei dann die “Solidarität der anderen Staaten” gefragt. Wer die Voraussetzungen für Asyl erfülle, müsse dann auch aufgenommen werden. In der europäischen Asylpolitik zeichne sich eine “große Veränderung” ab, erklärte Faeser. Die regierende Ampel-Koalition habe sich nun darauf geeinigt, “dass wir dieses gemeinsame Asylsystem voranbringen wollen”.
Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist es der EU nicht gelungen, sich auf eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu einigen. Faeser sieht nun die Chance, dass Europa in der Asylpolitik gemeinsam vorankommt. “Wir sehen jetzt ein historisches Momentum, dass wir mit anderen europäischen Staaten es schaffen können, ein gemeinsames Asylsystem auf den Weg zu bringen, wo an den Grenzen die Asylverfahren stattfinden”, sagte sie.
Über die Einzelheiten des neuen Verfahrens sei sie seit Monaten mit anderen EU-Ländern im Gespräch, sagte Faeser. Deutschland arbeite dabei unter anderem mit Frankreich, Italien, Spanien, Schweden und Belgien zusammen. Im Gespräch sei eine Bearbeitungszeit der Asylanträge von maximal zwölf Wochen.
Mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären?
Vor dem geplanten Flüchtlingsgipfel am 10. Mai in Berlin sprechen sich unterdessen einige Ministerpräsidenten von CDU und SPD für eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten aus. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, verlangt vom Bund mehr Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen. “Zunächst einmal geht es darum, dass die Kommunen finanziell besser unterstützt werden, weil: Sie sind die Leidtragenden der Migrationspolitik der Bundesregierung”, sagte Frei. “Die 2,75 Milliarden Euro, die bisher für dieses Jahr vorgesehen sind, sind eindeutig zu wenig, denn die Herausforderungen beziehen sich ja auf die Integration insgesamt, auf Kitas auf Schulen, auf Wohnraum und vieles andere mehr”, führte der CDU-Politiker aus. “Der zweite Punkt ist, Migration muss gesteuert und begrenzt werden.”
Sogenannte sichere Herkunftsstaaten sind Länder, bei denen vermutet wird, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen.
Eine Ausweitung des Kreises sicherer Herkunftsstaaten würde aus Sicht von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie bei den Verwaltungsgerichten beschleunigen sowie Länder und Kommunen entlasten, wie ein Senatssprecher sagte. Denkbar wären demnach “insbesondere Länder wie Georgien, Marokko, Algerien, Tunesien und Indien, die eine Vielzahl von Asylverfahren mit einer äußerst niedrigen Schutzquote aufweisen”. Davon unberührt würde der individuelle Anspruch auf Einzelfallprüfung im Asylverfahren bestehen bleiben.
Städtebund sieht Kapazitätsgrenzen erreicht
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rief derweil Bund und Länder auf, beim Flüchtlingsgipfel einen Neustart in der Migrationspolitik einzuleiten. “Viele Kommunen sind bei Unterbringung, Integration, Schaffung von Kita- und Schulplätzen längst an ihren Kapazitätsgrenzen. Auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sind erschöpft”, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Funke Mediengruppe. Daher müsse man zu einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen kommen. “Zu den notwendigen Maßnahmen gehören eine gerechte Verteilung in Deutschland und Europa, ein besserer Schutz der Außengrenzen der EU sowie die konsequente Rückführung ausreisepflichtiger Personen.” Außerdem müsse der Druck auf die Herkunftsländer, die ihre ausreisepflichtigen Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen, erhöht werden.
kle/wa (dpa, afp, rtr)