Ukraine aktuell: Drohungen und Vorwürfe von Wagner-Chef Prigoschin

Das Wichtigste in Kürze:

  • Drohungen und Vorwürfe von Wagner-Chef Prigoschi
  • Ukraine schießt eigene Drohne ab
  • Russland meldet ebenfalls Drohnenangriffe
  • China will im Ukraine-Krieg vermitteln
  • Millionenvermögen des Oligarchen Nowinski eingefroren

 

Seine Forderung nach mehr Munition sind nicht neu, aber nun verschärft Jewgeni Prigoschin den Ton im Streit mit Russlands: Der Chef der russischen Wagner-Söldner droht mit dem Rückzug seiner Einheiten aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine – und das ausgerechnet zeitnah zum Gedenktag anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs. Ein Datum, das für den Kreml aus Propagandagründen sehr wichtig ist.

Grund, seine Söldner aus Bachmut zurückzuziehen, seien hohe Verluste und ein Mangel an Munition, woran das Moskauer Verteidigungsministerium Schuld sei, teilte Prigoschin mit. Seine Söldner würden sich deswegen am 10. Mai in Nachschublager zurückziehen und ihre Stellungen an die russische Armee übergeben müssen.

Damit verschärfte Prigoschin den seit Monaten schwelenden Konflikt mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Militärspitze. Die Wagner-Truppe führt die für beide Kriegsseiten verlustreichen Angriffe auf Bachmut an, das für Russland nach mehreren Rückschlägen ein strategisch wichtiges Ziel ist.

Die Ukraine geht allerdings davon aus, dass Russland Bachmut bis zum 9. Mai einnehmen will – also dem Tag der alljährlichen Militärparade anlässlich des Sieges über Nazi-Deutschland. Zu diesem Zweck würden Wagner-Söldner aus anderen Frontabschnitten in die Stadt geschickt, sagte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in aktueller Video-Botschaft (05.05.2023)

Wagner-Chef Prigoschin in Video-Botschaft: “Sie werden vor ihren Müttern und Kindern die Verantwortung tragen”

“Ich ziehe die Wagner-Einheiten aus Bachmut ab, denn ohne Munition sind sie dem sinnlosen Tod geweiht”, teilte dagegen Prigoschin in einer Erklärung mit, die an den Generalstabschef, das Verteidigungsministerium und Präsident Wladimir Putin als Oberbefehlshaber gerichtet war. “Meine Jungs werden ohne Munition keine nutzlosen und ungerechtfertigten Verluste in Bachmut erleiden”, sagte Prigoschin zudem in einem beigefügten Video, das ihn in voller Kampfausrüstung mit einem Schnellfeuergewehr um seine Schulter hängend vor Dutzenden seiner Kämpfer zeigt.

Und Prigoschin wurde persönlich: Er machte die russischen Armeechefs für “Zehntausende” getötete und verwundete russische Kämpfer in der Ukraine verantwortlich und schwor, die Militärs zur Rechenschaft zu ziehen. Die massiven Verluste hätten “diejenigen auf dem Gewissen, die uns keine Munition gegeben haben”. Und das seien Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. “Für die Zehntausenden von Toten und Verwundeten werden sie vor ihren Müttern und Kindern die Verantwortung tragen.” Dafür werde er sorgen, so Prigoschin.

Ukraine schießt eigene Drohne ab

 

Die ukrainische Flugabwehr hat über der Hauptstadt Kiew eine Drohne der eigenen Streitkräfte abgeschossen. Militärs hätten die Kontrolle über das unbemannte Flugobjekt verloren, teilte die Luftwaffe mit. Um mögliche “unerwünschte Folgen” zu vermeiden, sei beschlossen worden, die Drohne vom türkischen Typ Bayraktar abzuschießen.

“Es ist schade, aber so ist die Technik, und solche Fälle kommen vor”, hieß es in der auf Telegram verbreiteten Erklärung. In Kiew und Umgebung war wegen der Drohne am Abend Luftalarm ausgelöst worden. Videoaufnahmen in sozialen Netzwerken zeigten, wie die Drohne über dem Zentrum von Kiew abgeschossen wurde. Der Luftalarm wurde nach kurzer Zeit aufgehoben.

Kiew und die südukrainische Hafenstadt Odessa waren erst in der Nacht zum Donnerstag von russischen Drohnen angegriffen worden.

Auch russische Drohnen abgeschossen

Zuvor hatten die Behörden mitgeteilt, dass die Region Kiew erneut von russischen Drohnen attackiert worden sei. Der Angriff auf die Hauptstadt habe rund 20 Minuten gedauert. Dabei seien mindestens zwei feindliche Drohnen von Luftabwehrsystemen abgeschossen worden, hieß es.

Ukraine-Krieg - Kiew

Ukrainische Soldaten inspizieren ein Wrackteil einer abgeschossenen russischen Militärdrohne

Bürgermeister Vitali Klitschko erklärte, es habe Einschläge von zwei der abgeschossenen Drohnen gegeben. Laut dem Chef der Militärverwaltung von Kiew, Serhij Popko, brach ein Feuer in einem Gebäude aus, wo ein Flugobjekt niedergegangen sei. Der Brand sei unter Kontrolle, es gebe keine Verletzten.

Russland meldet ebenfalls Drohnenangriffe

Russland hat nach Behördenangaben seinerseits in der Nähe eines Luftwaffenstützpunkts auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim eine Drohne abgeschossen. Wie der von Russland eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, im Onlinedienst Telegram mitteilte, zerstörte die russische Luftabwehr bei einem “weiteren Angriff auf Sewastopol” am Donnerstagabend ein “unbemanntes Fluggerät im Bereich des Flughafens Belbek”.

In den vergangenen Tagen hatten russische Behörden über zahlreiche Drohnenangriffe und von diesen verursachte Brände berichtet. Am Mittwoch gab Moskau den Abschuss zweier Drohnen bekannt, die angeblich den Kreml und Staatschef Wladimir Putin im Visier hatten. Der Kreml warf den USA vor, hinter diesem Drohnenangriff zu stecken, was Washington zurückwies.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte Moskau auf, “diesen angeblichen Angriff nicht als Vorwand für eine fortgesetzte Eskalation des Krieges zu benutzen”.

Auch Öl-Raffinerie mit Drohnen angegriffen

Laut russischer Darstellung wurde auch die Öl-Raffinerie Ilski nahe dem Schwarzmeerhafen Noworossijsk im Süden Russlands von ukrainischen Drohnen angegriffen. Nachdem es dort bereits in der Nacht zu Donnerstag gebrannt hatte, sei nun zum zweiten Mal ein Feuer durch einen Drohnenangriff ausgebrochen. Das berichtet die russische Nachrichtenagentur TASS* unter Berufung auf Rettungskräfte vor Ort.

Feuerwehrleute löschen einen Brand in der Ölraffinerie von Ilski

Löscharbeiten nach dem ersten Brand in der Öl-Raffinerie von Ilski

Die Ukraine bekennt sich nur selten zu den aus russischer Sicht häufigen Angriffen auf Infrastruktur-Objekte und militärische Ziele. Die Militärspitze in Kiew hat allerdings eingeräumt, dass Angriffe auf Nachschub-Wege und militärische Logistik Teil der Vorbereitungen für eine seit langem erwartete Gegenoffensive seien. 

Streit um Versorgung der Wagner-Gruppe eskaliert

Unterdessen hat der Chef der russischen Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, einen Rückzug seiner Männer aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine angedroht. Grund sei ein Mangel an Munition, den das Verteidigungsministerium in Moskau zu verantworten habe. 

“Am 10. Mai 2023 werden wir unsere Stellungen in Bachmut an Einheiten des Verteidigungsministeriums übergeben und Wagner-Einheiten zurückziehen müssen, um unsere Wunden zu lecken”, schrieb Prigoschin im Onlinedienst Telegram. Wegen des Munitionsmangels müssten seine Kämpfer ansonsten mit einem “sinnlosen Tod” rechnen.

Prigoschin verschärft mit dieser Erklärung den seit Monaten schwelenden Konflikt mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Militärführung erneut. Die Wagner-Söldner führen die Angriffe auf Bachmut an, das für Russland nach mehreren Rückschlägen ein strategisch wichtiges Ziel ist.

Vor wenigen Tagen bereits beschwerte sich Prigoschin öffentlich über fehlenden Munitionsnachschub. Für den Kampf um Bachmut seien etwa 300 Tonnen Artilleriegranaten pro Tag nötig, schrieb er auf Telegram. Seine Männer erhielten aber nur ein Drittel dieser Menge. 

Selenskyj dankt den Niederlanden

Im Rahmen seines Besuchs in den Niederlanden hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich bei König Willem-Alexander “für die Unterstützung bei der Verteidigung unserer Freiheit” bedankt, wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte. “Seit den ersten Tagen des russischen Angriffs haben wir gespürt, dass die Niederlande und das gesamte niederländische Volk an der Seite der Ukraine stehen”, wurde Selenskyj zitiert.

Selenskyj Besuch Niederlande

Präsident Wolodymyr Selenskyj (im Vordergrund links) besucht ukrainische Soldaten beim Training in den Niederlanden

Anschließend besuchte Selenskyj zusammen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte einen Luftwaffenstützpunkt und traf dort ukrainische Soldaten, die sich zur Ausbildung und Spezialisierung in den Niederlanden aufhalten. Selenskyj ließ sich die Waffen und Systeme zeigen, an denen die ukrainischen Soldaten ausgebildet werden. “All dies bringt den Sieg näher, unseren gemeinsamen Sieg. Wir werden das russische Böse besiegen und unsere Freiheit, unsere gemeinsame europäische Lebensweise schützen”, sagte er dem Präsidialamt zufolge.

China will vermitteln

Der chinesische Außenminister Qin Gang will sich weiter für Friedensgespräche in der “Ukraine-Krise” einsetzen. “China ist bereit, die Kommunikation und Koordination mit Russland aufrechtzuerhalten, um einen konkreten Beitrag zur politischen Lösung der Krise zu leisten”, teilte das Außenministerium in Peking mit.

Die Erklärung bezieht sich auf Qins Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Rande des Außenministertreffens der “Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit” in der indischen Stadt Goa am Donnerstag. China hat sich bisher geweigert, die russische Invasion in der Ukraine klar zu verurteilen, und pflegt eine enge Partnerschaft mit der Führung in Moskau.

Erneut Millionenvermögen beschlagnahmt

Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU hat nach eigenen Angaben umgerechnet mehr als 280 Millionen Dollar Vermögenswerte des im Exil lebenden Milliardärs Wadim Nowinski beschlagnahmt. Dazu gehöre auch der Schwarzmeerhafen Otschakiw, teilte der SBU mit.

Ukraine Wadim Nowinski

Dem ukrainischen Milliardär Wadim Nowinski wird eine pro-russische Einstellung vorgeworfen (Archivbild)

Die Regierung in Kiew hatte im Dezember Sanktionen gegen Nowinski erlassen. Sie verdächtigt ihn, Russland zu unterstützen. Dies haben seine Vertreter zurückgewiesen. Für eine Stellungnahme zu der Konfiszierung waren sie zunächst nicht zu erreichen.

Nowinski ist ein prominenter Unterstützer der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die der Kollaboration mit Russland verdächtigt wird. Die Glaubensgemeinschaft hat dagegen erklärt, sie habe ihre Verbindungen zu Russland gekappt.

Im April waren schon einmal umgerechnet rund 96 Millionen Dollar Vermögenswerte des Milliardärs beschlagnahmt worden. Nowinskis Vertreter erklärten damals, die Güter seien nicht mehr im Besitz ihres Mandanten. Dieser sei ein ukrainischer Patriot.

mak/wa/djo/jj (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.