Kallas gewinnt Parlamentswahl in Estland

In Estland hat Regierungschefin Kaja Kallas die Parlamentswahl klar für sich entschieden. Ihre wirtschaftsliberale Reformpartei erhielt knapp 32 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission des EU- und NATO-Landes auf Basis vorläufiger Ergebnisse mitteilte. Dahinter liegen zwei Oppositionskräfte: die rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) mit rund 16 Prozent und die mitte-links verortete Zentrumspartei mit fast 15 Prozent. Das starke Abschneiden der EKRE dürfte die Besorgnis vieler Wähler über steigende Lebenshaltungskosten im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine widerspiegeln.

Größter Gewinner ist die liberale Partei Eesti 200, die mit fast 14 Prozent erstmals in das Parlament in Tallinn einziehen wird. Auf den weiteren Plätzen folgen Kallas’ bisherige Koalitionspartner: die Sozialdemokraten (gut 9 Prozent) und die konservative Partei Isamaa (gut 8 Prozent). 

Parlamentswahlen in Estland | Stimmauszählung in Tallinn

Auszählung klassischer Papierstimmzettel in Tallinn

Der Wahlkampf war geprägt vom Streit um Militärhilfen für die Ukraine. Kallas ist eine entschiedene Befürworterin der Waffenlieferungen, während sich die EKRE gegen deren Fortsetzung aussprach. Estlands Militärhilfe für die Ukraine entspricht derzeit mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das ist mehr als bei jedem anderen Land gemessen an der Größe der Volkswirtschaft.

Kallas äußerte sich in der Nacht zum Montag erfreut über das Ergebnis. “Es ist viel besser, als wir erwartet haben”, sagte die 45-Jährige vor Journalisten. Mit Blick auf ihre Ukraine-Politik erklärte sie: “Ich denke, mit einem so starken Mandat wird sich daran nichts ändern.” Alle anderen Parteien “mit Ausnahme von EKRE und vielleicht des Zentrums” hätten sich für die gleiche Linie mit Blick auf die Ukraine entschieden. “Ich denke daher, dass wir hier eine gemeinsame Basis finden können”, fügte Kallas mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen hinzu. Und sie betonte: “Wir müssen in unsere Sicherheit investieren, unser aggressiver Nachbar ist nicht verschwunden und wird auch nicht verschwinden, also müssen wir damit arbeiten.”

Viel “E-Voting”

Eine Besonderheit der Wahl war die Möglichkeit zur Stimmabgabe über das Internet, die Estland 2005 als erstes Land in Europa eingeführt hatte. Am sogenannten “E-Voting” nahmen mehr als ein Drittel aller Wahlberechtigten teil. Insgesamt wurden über die Hälfte aller abgegebenen Stimmen digital getätigt – beides ein neuer Rekord. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 64 Prozent.

wa/ack (dpa, rtr, afp)