Am Ende haben nicht nur die Regierungsparteien mit großer Mehrheit für die Impfpflicht in Österreich gestimmt, sondern auch weite Teile der Opposition. Die Sozialdemokaten, aber auch die meisten Abgeordneten der liberalen Neos stimmten dem Gesetzentwurf zu. Die rechtspopulistische FPÖ stimmte geschlossen dagegen.
Nach dem Votum des Nationalrats in Wien muss am 3. Februar noch der Bundesrat über das Gesetz entscheiden. Seine Zustimmung gilt allerdings als sicher. Die allgemeine Impfpflicht in Österreich soll dann schon einen Tag später in Kraft treten und bezieht sich auf alle in der Europäischen Union zugelassenen Corona-Impfstoffe. Das Ziel der Regierung: Die im EU-Vergleich mittelmäßige Impfquote von derzeit 75 Prozent deutlich zu steigern. Die bisherigen Verschärfungen, wie ein Lockdown für Ungeimpfte, hatten diesen Erfolg nicht gebracht.
Proteste von Impfgegnern in Wien (Dezember 2021)
Betrifft die Impfpflicht alle Bürger?
Die Impfpflicht in Österreich gilt für alle Bürger mit Wohnsitz in Österreich, die 18 Jahre und älter sind. Im Gesetzgebungsprozess war zunächst vorgesehen, auch Jugendliche ab 14 Jahren in die Impfpflicht mit aufzunehmen. Das wurde später verworfen.
Ausnahmen im neu geschaffenen COVID-19-Impfpflichtgesetz sind lediglich für Schwangere vorgesehen sowie für Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder keine Immunantwort nach der Impfung entwickeln. Sollte eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich sein, muss die Person ein entsprechendes medizinisches Attest vorlegen. Ausnahmebescheinigungen dürfen ausschließlich Fachambulanzen, Amtsärzte und Epidemieärzte ausstellen.
Post vom Gesundheitsminister für alle Haushalte: Mediziner Wolfgang Mückstein (Grüne)
Sind Genesene von der Impfpflicht befreit?
Anders als in Deutschland, wo der Genesenenstatus mittlerweile 90 Tage nach einem positiven PCR-Test wieder erlischt, gelten in Österreich Genesene bis zu 180 Tage nach der Infektion als geschützt. Sie sind in dieser Zeit von der Impfpflicht ausgenommen. Erst im Monat nach dem Ablauf dieser Frist unterliegen sie wieder der Impfpflicht.
Auf wie viele Impfungen bezieht sich die Impfpflicht?
Das Gesetz spricht von Erst- und Folgeimpfungen. Der Umfang der Folgeimpfungen wird vom Gesundheitsminister per Verordnung festgelegt. Nach aktuellem Stand erwartet die Regierung von ihren Bürgern drei Corona-Impfungen.
Wird die Impfpflicht per Zwang durchgesetzt?
Nein. Der Nationalrat hat eine Impfpflicht beschlossen, aber keinen Impfzwang. “Die Schutzimpfung darf nicht durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden”, heißt es dazu in Paragraph 1 des Gesetzes.
Warteschlange vor einem Impfzentrum in Seewalchen am Attersee
Wie wird die Impfpflicht kontrolliert?
In einem ersten Schritt nach Inkrafttreten des Gesetzes sollen alle Haushalte in Österreich Post vom Gesundheitsminister bekommen und so mit Informationen zur neuen Impfpflicht versorgt werden.
Erste Kontrollen der Impfplicht sind für Mitte März geplant. Die Einhaltung der Impfpflicht soll zunächst mit Stichprobenkontrollen der Polizei in der Öffentlichkeit überprüft werden. Da es in Österreich keine generelle Ausweispflicht gibt, könnte das in Praxis zur Folge haben, dass Nichtgeimpfte ohne Ausweis zur Identitätsfeststellung auf die nächste Polizeiwache gebracht werden.
In einem weiteren Schritt sind zu einem späteren Zeitpunkt auch automatisierte Vergleiche mit dem in Österreich während der Pandemie eingeführten Impfregister geplant. Dann würden Bußgeldbescheide automatisiert verschickt.
Wie hoch fallen die Bußgelder aus?
Wird bei Stichprobenkontrollen ein Verstoß gegen die Impfpflicht festgestellt, kann die Polizei ein Bußgeld von zunächst 600 Euro verhängen. Lässt sich diejenige Person in den zwei Wochen nach der Kontrolle doch noch impfen, wird das Bußgeld zurückgenommen. Bei einem Einspruch gegen die Geldstrafe können in einem Gerichtsverfahren sogar noch höhere Bußgelder verhängt werden – bis zu 3600 Euro.
Maximal viermal im Jahr wird diese Strafe für Ungeimpfte fällig – sollte die gesundheitliche Lage nicht schon früher zu einem Auslaufen der Impfpflicht führen. Die vom Staat eingetriebenen Bußgelder sollen in die Corona-Bekämpfung fließen.
Droht Impfverweigern Gefängnis?
Das COVID-19-Impfpflichtgesetz schließt eine Erzwingungshaft ausdrücklich aus, obwohl diese bei nicht gezahlten Bußgeldern in Österreich grundsätzlich vorgesehen ist. In § 10 des Impfpflichtgesetzes heißt es dazu: “Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist eine Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nicht festzusetzen.”
Anreize zum Impfen: Impfbus in Wien
Wird die Impflicht vor Gerichten Bestand haben?
Führende Juristen in Österreich gehen nicht davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das gesamte Gesetz kippen wird. Es ist allerdings gut möglich, dass das Gericht einzelne Punkte beanstandet. Umstritten ist unter anderem, dass Strafen höher werden können, wenn Betroffene Einspruch gegen das Bußgeld erheben.
Welche Anreize zur Impfung sind geplant?
Parallel zur Einführung der Impfpflicht will Österreich auch über Anreize die Impfquote steigern. So ist eine Impflotterie vorgesehen. Pro Teilimpfung winken Gewinngutscheine von bis zu 500 Euro, die in Gastronomie und Handel eingelöst werden können. Gemeinden sollen außerdem für das Erreichen besonders hoher Impfquoten Fördergelder erhalten. Für diese Maßnahmen will die Regierung insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Fast zwei Drittel der Österreicher stehen laut Umfragen der neuen Impfpflicht positiv gegenüber.