Was passiert an diesem Montag in Washington (5.12.)?
Der gemeine Rat von US-Regierung zur Europäischen Union zu Handel und Technologie (TTF) trifft sich zum dritten Mal seit seiner Gründung im Jahr 2021 auf Chefebene. Der EU-Wirtschaftskommissar, Valdis Dombrovskis, und die EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitalisierung, Margrethe Vestager, werden mit dem amerikanischen Außenminister Anthony Blinken, Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und der Handelsbeauftragten Katherine Tai für vier Stunden über eine lange Liste von Themen sprechen. Wichtigster Streitpunkt aus Sicht der Europäer sind Subventionen im amerikanischen “Inflationsreduzierungsgesetz” (IRA) für die US-Autoindustrie.
Behindern US-Subventionen die europäische Autoindustrie?
Was ist das Problem?
Das IRA, das bereits am 1. Januar in Kraft treten wird, sieht vor, dass Autokäufer in den USA bis zu 7500 Dollar an Steuererleichterungen bekommen, wenn sie ein Elektrofahrzeug kaufen, dessen wesentliche Teile, wie die Batterie, aus amerikanischer Produktion stammen. Das Auto muss in den USA endmontiert werden. Damit will die US-Regierung die Produktionsstätten für Öko-Fahrzeuge in die USA locken und die heimische Autoindustrie fördern. Die Abhängigkeit von Rohstoffen und Vorprodukten aus China soll gesenkt werden.
US-Außenminister Blinken (li.), EU-Kommissar Dombrovskis (re.) 2021 bei Verhandlungen in Pittsburgh
Insgesamt will die US-Regierung über zehn Jahre Investitionen in klimafreundliche Produktion mit 370 Milliarden Dollar fördern. Allerdings ist nur ein Teil des Geld für Auto-Subventionen vorgesehen.
Was haben die Europäer dagegen?
Bei seinem Staatsbesuch in Washington vergangene Woche hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die US-Subventionspolitik “superaggressiv” genannt und vor einer Spaltung im transatlantischen Verhältnis gewarnt. Macron und viele andere EU-Vertreter warnen vor einem Handelskonflikt oder gar Handelskrieg, weil die USA ausländische Fahrzeughersteller, die nicht ausschließlich in den USA fertigen, vom Subventionskuchen ausschließen würden.
EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrowskis bezeichnet die protektionistischen Bestimmungen im Anti-Inflationsgesetz als große Benachteiligung. “Das IRA enthält ganz klar diskriminierende Elemente, die EU-Firmen am Export in die USA und an fairem Wettbewerb mit US-Produkten in Drittstaaten hindern würden. Wir wollen Fairness und erwarten, dass europäische Firmen genauso behandelt werden wie amerikanische Hersteller und ihre Exporte in Europa”, sagte Dombrovskis vor seine Reise nach Washington.
US-Präsident Biden (li.) feiert das Anti-Inflationsgesetz im September vor dem Weißen Haus
Der Chef des deutschen Autobauers BMW, Oliver Zipse, der in Spartanburg in South Carolina für den US-Markt produziert, beklagt offen den Protektionismus der US-Regierung. Man könne Elektroautos nicht ausschließlich nur mit amerikanischen Teilen produzieren, unabhängig von allen anderen Weltregionen, kritisierte Oliver Zipse im Handelsblatt.
Was sagt die amerikanische Seite zu den Vorwürfen?
US-Präsident Joe Biden hatte Kritik seines französischen Gastes an dem Gesetz vergangene Woche zurückgewiesen. “Die Vereinten Staaten entschuldigen sich nicht. Und ich entschuldige mich nicht dafür”, hatte Biden gesagt. Gleichzeitig gestand er aber zu, die Subventionsregeln könnten “einige Fehler” enthalten, die man bereinigen könnte, um es “europäischen Staaten zu erleichtern, daran teilzuhaben.”
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Ron Wyden, der Vorsitzende des Finanzausschusses im Senat gab sich hingegen wenig kompromissbereit. “Der Kongress hat das Gesetz verabschiedet, um die amerikanische Autoindustrie zu fördern, gut bezahlte Jobs in Amerika zu schaffen und gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen. Ich habe nicht die Absicht, es wieder aufzuschnüren”, sagte Wyden, der der demokratischen Partei von Präsident Biden angehört.
Wie könnte eine Lösung des Konflikts aussehen?
Die EU-Vertreter werden der Handelsbeauftragten Tai und den US-Ministern vorschlagen, den europäischen Herstellern die gleichen Ausnahmen zu gewähren wie den Lieferanten aus Kanada, Mexiko, Japan oder Südkorea. Die sind nämlich als bevorzugte Handelspartner der USA von einigen Vorschriften des Subventionsgesetzes ausgenommen.
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Frankreich hat wiederholt einen “Europäisches Investitionsgesetz” ins Gespräch gebracht, das Subventionen an europäische Hersteller ausschütten soll, wenn sie ihre Produktionsstätten und Lieferketten nach Europa verlagern. Dieser mögliche Wettlauf um Subventionen ging Deutschland, den Niederlanden und anderen zögernden Europäern aber bisher zu weit.
Der Europa-Abgeordnete Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, mahnt die EU ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren und nicht gleich wieder um gemeinsame Werte des Westens zu bangen. “Die USA sind nicht naiv. Sie setzen ihre Interessen knallhart durch”, schreibt Lange auf seiner Webseite.
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Kann die EU sich wehren?
Die Europäische Union könnte die USA vor der Welthandelsorganisation (WTO) verklagen, weil sie heimische Produkte gegenüber ausländischen bevorzugen und weil sie nicht allen Ländern, die gleichen günstigen Handelskonditionen einräumen. Was zum Beispiel für Kanada gelte, müsse auch für die EU gelten, monieren die EU-Kommissionsbeamten in Brüssel. Eine Klage vor den WTO ist aber langwierig und kann sich Jahre hinziehen. Allerdings wäre eine Klage nichts Ungewöhnliches, vor der WTO sind eine ganze Reihe von gegenseitigen Klagen anhängig. Die bekannteste ist wohl der schon Jahrzehnte währende Streit um Subventionen für die Flugzeugbauer Boeing in den USA und Airbus in Europa.
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Was kann bei den Gesprächen herauskommen?
Mit einer endgültigen Beilegung des Konflikts rechnet die europäische Seite nicht. Ein Erfolg wäre bereits eine Vereinbarung für Übergangsfristen für die europäischen Autobauer oder das vorläufige Aussetzen von Bestimmungen, um mehr Zeit für Verhandlungen zu schaffen. “In der derzeitigen geopolitischen Lage und mit unseren gemeinsamen klimapolitischen Zielen im Hinterkopf, sollten wir uns darauf konzentrieren, Allianzen in wichtigen Bereichen zu schmieden, sei es bei Batterien, erneuerbarer Energien oder Recycling. Wir sollten keine unnötigen Hemmnisse oder potenzielle Handelskonflikte schaffen”, mahnte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis bei einem Treffen mit europäischen Firmen- und Behördenvertretern zur Vorbereitung des Handels-Gipfels in Washington. “Das wird nicht einfach zu reparieren sein, aber wir müssen es reparieren”, hatte Dombrovskis bereits beim EU-Gipfel im Oktober geunkt.