Die Afrikanische Union setzt alles in Bewegung, um einen drohenden Bürgerkrieg und weitere Eskalationen in den Nachbarländern und somit der gesamten Region am Horn von Afrika zu verhindern – die Krisensitzungen regionaler Organisationen halten an.
Krisensitzungen in der Region
Mithilfe internationaler Akteure, darunter die Vereinigten Staaten, einigten sich beide Konfliktparteien am Montagabend auf eine 72-stündige Feuerpause – ein enges Zeitfenster für Evakuierungen aus dem Kriegsgebiet und der Hauptstadt Karthum und die Einrichtung von humanitären Korridoren. Die Friedensbemühungen der Anrainerstaaten, darunter der bedeutende Nachbar Äthiopien, laufen derweil auf Hochtouren.
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Der Staatenbund der Länder am Horn von Afrika (IGAD) hatte bereits vor wenigen Tagen ein außerordentliches Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs anberaumt. Am Dienstag empfing der IGAD-Exekutivsekretär Workneh Gebeyehu, ein Äthiopier, am IGAD-Sitz in Dschibuti die sudanesische Botschafterin Rahma Saleh und twitterte: “Wir haben die Lage und die Not der Menschen im Sudan erörtert und erneut die Forderung des IGAD-Gipfels nach einem sofortigen Waffenstillstand, einer dauerhaften Waffenruhe und einem Dialog bekräftigt.”
Äthiopien nutzt regionale Kanäle
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe Äthiopien seine Vermittlungsbemühungen größtenteils über regionale Foren wie die regionalen Wirtschaftsgemeinschaften und die Afrikanische Union unternommen, sagte Maram Mahdi, Mitarbeiterin des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Addis Abeba. Dazu gehörten insbesondere auch die Bemühungen im Rahmen der IGAD.
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Den turnusmäßigen Vorsitz hat hier eigentlich der Sudan. Doch dieser scheidet als direkte Konfliktpartei für Vermittlungen aus. Nun habe IGAD in Abwesenheit des Sudan eine Reihe außerordentlicher Sitzungen abgehalten, um einen Vermittlungsplan auszuarbeiten, der benachbarte und regionale Akteure berücksichtigt, die sowohl auf das sudanesische Militär als auch auf die ihm gegenüberstehende RSF-Miliz Einfluss nehmen können, sagt Mahdi im DW-Interview.
Äthiopiens Neutralität steht infrage
“Äthiopien unterhält seit Langem Beziehungen sowohl zum Militär als auch zur RSF. Aufgrund der Nähe, der Geschichte und anderer Faktoren befindet sich Äthiopien ist einer strategischen Position, die Interessen der beiden Lager durchzusetzen”, so Mahdi.
Allerdings spielen konträre Wahrnehmungen laut der Expertin eine wichtige Rolle. “Fragen der Neutralität kommen auf, und einige der sudanesischen Akteure könnten Äthiopiens bevorstehenden Vermittlungsversuch ablehnen.” Daher sei es umso wichtiger, dass Äthiopiens Versuche, einen Friedensprozess herbeizuführen, in der IGAD und der AU verankert sein.
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Laut Mahdi bleibt abzuwarten, ob Äthiopien auch bilaterale Verhandlungen mit den Konfliktparteien aufnehmen werde. Hingegen werde das Land künftig sein Engagement auf regionaler Ebene noch verstärken müssen, schätzt sie: “Meines Erachtens muss Äthiopien vor allem innerhalb der IGAD die Führung übernehmen, um zu ermitteln, ob die aktuelle Vorgehensweise zur Deeskalation der Lage wirksam war und ob das so funktioniert.”
Der Erfolg der äthiopischen Vermittlungsversuche für Frieden im Sudan hängt laut Mahdi davon ab, ob Äthiopien die beiden Konfliktparteien überzeugen könne, das Land als neutralen Vermittler zu akzeptieren – oder gar eine der kämpfenden Parteien zu einem Waffenstillstand bewegen könne.
Spannungen zwischen Sudan und Äthiopien
Aber die Beziehungen zwischen den beiden Ländern am Horn von Afrika waren in den letzten Jahren von Spannungen geprägt, unter anderem wegen eines Grenzstreits und des Konflikts um Flüchtlinge, die in der Folge des Kriegs in Äthiopiens nördlicher Region Tigray und der angrenzenden Amhara-Region in den Sudan flohen. Im November 2022 wurde der Bürgerkrieg nach zwei Jahren offiziell beigelegt.
Spannungen zwischen Sudan und Äthiopien halten an
Für Streit mit dem Nachbarn Sudan führte in der Vergangenheit zudem immer wieder der in Äthiopien gebaute Mega-Staudamm am Blauen Nil “GERD”. Die Anrainer Sudan und Ägypten, für die der Nil eine wichtige Lebensader ist, befürchten Wassermangel, wenn der Damm das Wasser zur Stromgewinnung aufstaut. Die erste Turbine ging im Februar in Betrieb.
Ein Schweigen der Waffen im Sudan zu vermitteln, gilt als äußerst schwierig. Nach der jahrzehntelangen Diktatur von Omar al-Bashir scheiterte ein erster Versuch des Übergangs zu einer zivilen Regierung schon im Oktober 2021 mit einem von General Abdel Fattah Burhan angeführten Putsch. Seither rivalisiert Burhan mit der paramilitärischen Miliz Rapid Support Forces (RSF) von General Mohamed Hamdan Daglo, auch Hametti genannt. Seine Miliz sollte in die Armee eingegliedert werden, ein demokratischer Prozess folgen. Doch die Aussichten sind düster.
Widersprüchliche Erwartungen im Sudan
Laut Mukerrem Miftah, Professor an der äthiopischen Hochschule für den öffentlichen Dienst, befindet sich Sudan schon länger in einer politischen und wirtschaftlichen Abwärtsspirale. “Die Politik im Sudan hat sich bis auf das schlimmste Niveau verschlechtert”, sagt Miftah im DW-Interview. “Einer der Hauptgründe dafür sind die unterschiedlichen Ansichten, die viele politische Akteure haben.”
Die sehr widersprüchlichen Erwartungen an den Sudan ergeben sich laut Miftah aus der Vielzahl der Akteure. So gebe es die große politische Partei (Umma-Partei), außerdem Marxisten, Islamisten, Liberale, zudem von der Universität Khartum hervorgebrachten Eliten, und daneben spielten auch verschiedene zivile Organisationen eine Rolle, so Miftah. Diese Unterschiede hätten zu dem aktuellen Konflikt beigetragen.
Tausende Menschen flüchten vor Kämpfen aus Sudan in die Nachbarländer
“Wenn zwei Kräfte in einem Land in einen Bürgerkrieg verwickelt sind, werden sie sich nicht auf die Diskussion einlassen oder nicht verhandeln wollen, es sei denn, es wird ein gewisser Druck auf sie ausgeübt, miteinander zu reden”, so Mifthah. Um ins Gespräch zu kommen und eine dauerhafte Lösung zu finden, sei es hilfreich, wenn eine der beiden Kräfte als dominante Kraft hervorgehe, sagt er. Schon jetzt sind laut Angaben der Vereinten Nationen rund 170.000 Menschen in der Region auf der Flucht.
Mitarbeit: Negash Mohammed