Als der letzte Punkt gespielt war – ein Volley ins Halbfeld des Gegners – konnte es Rafael Nadal selbst kaum fassen. Er ließ seinen Schläger fallen, hielt sich die Hände vor den Mund, strahlte über das ganze Gesicht und schaffte es nicht, die Tränen zurückzuhalten. Nicht nur hatte der 35-jährige Spanier mit dem Finalsieg bei den Australian Open gerade seinen 21. Grand-Slam-Titel errungen, damit einen neuen Rekord aufgestellt und Tennis-Geschichte geschrieben – er hatte auch einen großen Sieg über sich und seinen Körper gefeiert.
Ein halbes Jahr lang war Nadal zuvor wegen einer langwierigen Fußverletzung ausgefallen und hatte zeitweise überhaupt kein Tennis spielen können. Dann kam er so zurück und zeigte auch im Endspiel gegen US-Open-Sieger Daniil Medwedew eine beeindruckende kämpferische Leistung. Trotz eines 0:2-Satzrückstands setzte er sich am Ende nach 5:24 Stunden gegen den ebenfalls auf höchstem Niveau spielenden Russen mit 2:6, 6:7, 6:4, 6:4 und 7:5 durch.
Auch im Moment des großen Erfolgs dachte Sieger Nadal zunächst an den unterlegenen Gegner und wandte sich in seiner Siegerrede an Medwedew: “Du bist ein beeindruckender Champion”, lobte er. “Das war eines der emotionalsten Finals meiner Karriere. Es ist eine Ehre, es gegen dich zu spielen.” Dann kam er auf seine Rückkehr nach der Verletzung zu sprechen. “Es ist einfach traumhaft. Ich wusste vor einigen Monaten gar nicht, ob ich es überhaupt zurück schaffen würde”, sagte Nadal und bedankte sich bei den Fans. “Ihr wart eine unglaubliche Unterstützung für mich. Vielen, vielen Dank!”
Nadal übernimmt spät die Kontrolle
Auch ins Finale musste sich Nadal zurückkämpfen: In den ersten beiden Sätzen waren dem späteren Sieger noch viele unerzwungene Fehler unterlaufen. Medwedew war anfangs der bessere Spieler und sah mit einer 2:0-Satzführung im Rücken schon wie der sichere Sieger aus. Erneut schien es so, als könnte der Russe zum Spielverderber werden – wie schon beim US-Open-Finale, als er Novak Djokovic den 21. Grand-Slam-Sieg vermasselte. Medwedew behielt die Nerven, obwohl das Publikum in Melbourne klar auf Seiten Nadals war und für eine Stimmung wie im Fußballstadion sorgte. Angetrieben von den Zuschauern gelang dem Spanier der 1:2-Anschluss nach Sätzen.
Was soll das? Daniil Medwedew fühlt sich beim Aufschlag gestört von den Zuschauern
Danach drehte Nadal regelrecht auf und übernahm die Kontrolle im Match. Medwedew verlor dagegen die Konzentration, ließ sich von Zwischenrufen aus dem Publikum verunsichern und diskutierte mit dem Schiedsrichter. Im entscheidenden fünften Satz fing er sich bei 5:3-Führung von Nadal wieder und erzwang ein 5:5. Schließlich aber setze sich der Spanier durch.
Vor Federer und Djokovic
Vor dem Turnier von Melbourne hatte Nadal mit seinen langjährigen Konkurrenten Roger Federer und Novak Djokovic mit jeweils 20 Grand-Slam-Titeln gleichauf gelegen. Auf den Tag genau zwei Wochen nach der erzwungenen Ausreise aus Australien von Djokovic setzte sich Nadal im Rennen um den 21. Titel vor dem Serben und dem Schweizer an die Spitze.
Djokovic war für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres vor dem Auftakt Top-Favorit gewesen. Nadal nutzte nun die Gunst der Stunde, dass der neunmalige Melbourne-Sieger diesmal fehlte.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Teenie-Star mit großer Zukunft
2005 betritt Rafael Nadal die ganz große Tennisbühne. Mit seinem Sieg bei den French Open in Paris setzt der 19-Jährige den Startpunkt einer Ära: Bis 2020 heißt der Paris-Sieger Rafael Nadal – außer 2009, 2015 und 2016. Lange Zeit wird Nadal darauf reduziert, ein reiner Sandplatzspieler zu sein. Tatsächlich holt er acht seiner ersten elf Turniersiege auf der ATP-Tour auf der roten Asche.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Erfolg mit der Mannschaft
Schon bevor Nadal (2.v.r.) im Einzel einen Titel nach dem anderen gewinnt, ist er im Team erfolgreich. 2004 sichert er sich mit Spanien im Finale gegen die USA den Sieg im Davis Cup. An seiner Seite: Carlos Moya (r.), der seit 2017 zu Nadals Trainerteam gehört und seit 2018 sein Haupttrainer ist. Insgesamt gewinnt Nadal die “hässlichste Salatschüssel der Welt” in seiner Laufbahn viermal.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Auf dem “heiligen Rasen”
Zu Beginn seiner Karriere liefert sich Nadal (r.) immer wieder enge Duelle mit Roger Federer (l.), der Nummer eins der Welt. Zwar kann Nadal den Schweizer auf Sand fast immer besiegen, im Finale von Wimbledon aber unterliegt er 2006 und 2007. Erst 2008 schafft es der Spanier, sich auf dem “heiligen Rasen” durchzusetzen. Das 6:4, 6:4, 6:7, 6:7 und 9:7 ist das längste Endspiel der Turniergeschichte.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Mit Gold gekrönt auf dem Tennisgipfel
2008 ist für Nadal ein sehr erfolgreiches Jahr: Nach den Siegen in Paris und Wimbledon gewinnt er auch das olympische Finale in Peking. Im Kampf um Gold bezwingt er den Chilenen Fernando Gonzalez. Im August 2008 verdrängt er Roger Federer von der Spitze der Weltrangliste. Allerdings stoppt ihn kurze Zeit später eine Knieverletzung und er muss die erste längere Pause seiner Karriere einlegen.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Erster Grand-Slam-Titel auf Hartplatz
Nach seiner Genesung gelingt Nadal im Januar 2009 bei den Australian Open der erste Major-Turniersieg auf Hartplatz. Im Finale setzt er sich erneut in fünf Sätzen gegen Federer durch. Nadal ist der erste Spanier, der in Melbourne gewinnen kann. Fünf Monate später folgt allerdings ein Tiefschlag: Erstmals überhaupt verliert Nadal ein Match bei den French Open und scheidet schon im Achtelfinale aus.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Sammlung komplett
Nachdem Nadal zuvor bereits in Paris, Wimbledon und Melbourne gewonnen hat, gelingt ihm 2010 auch bei den US Open in New York der Finalsieg. Sein Finalgegner in Flushing Meadows ist Novak Djokovic. Mit 24 Jahren ist Nadal nun der siebte und zugleich jüngste Spieler, der seit Beginn der “Open Era” im Frühjahr 1968 mindestens einmal jedes der vier wichtigsten Turniere gewonnen hat.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Ungewöhnliche Spielweise
Obwohl Rafael Nadal Rechtshänder ist, spielt er Tennis mit der linken Hand. Das ist ihm in jungen Jahren von seinem Onkel und Trainer Toni Nadal beigebracht worden. Nadal spielt mit extremem Topspin und hat die Gabe, sehr gut vorauszuahnen, wohin der Gegner den Ball bringt. Außerdem ist er sehr laufstark und athletisch und kann mit Vor- und beidhändiger Rückhand hart und platziert schlagen.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Trainer und Mentor
Großer Förderer Nadals ist sein Onkel. Antonio Nadal Homar, genannt Toni, der Bruder seines Vaters. Toni Nadal bringt seinen Neffen mit vier Jahren zum Tennissport. Er ist früh überzeugt davon, dass es der kleine Rafa, der als Kind und Jugendlicher lieber Fußball spielt, bis in die Weltspitze schaffen kann. “Onkel Toni” bleibt bis 2017 Nadals Trainer, mit ihm gewinnt Rafael Nadal 16 Grand Slams.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Innige Verbindung
Seit 2005 ist Nadal mit Maria Francisca Perello liiert, seit 2019 mit ihr verheiratet. Kinder hat das Paar nicht. Die 33-Jährige, die in London Wirtschaft studiert hat, hält sich am liebsten im Hintergrund. Seit zehn Jahren kümmert sich sich um Nadals Stiftung, die “Fundacion Rafa Nadal”, die sich für die Integration und Entwicklung benachteiligter Kinder in Spanien und Indien einsetzt.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Rückzugsort auf Mallorca
Die Wurzeln des 35-Jährigen liegen in Manacor auf der Baleareninsel Mallorca. Hier ist Nadal geboren und aufgewachsen, hierhin zieht er sich auch immer wieder zurück, um zu trainieren und in der Heimat Kraft zu tanken. Am Rande der 42.000-Einwohner-Gemeinde betreibt Nadal eine eigene, stetig wachsende Tennisakademie. Er selbst wohnt in Porto Cristo, ein paar Kilometer entfernt, an der Küste.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Beeindruckende Zahlen
Neben seinen nun 21 Grand-Slam-Titeln hält Rafael Nadal zahlreiche weitere Rekorde, so die Serie von 81 gewonnenen Matches auf Sand in Folge. Er ist mit 13 Titeln Rekordsieger bei den French Open und hat dort nie ein Finale verloren. Zwischen 2005 und 2014 gewann er in zehn Jahren in Folge jeweils mindestens ein Grand-Slam-Turnier – und 22 Mal besiegte Nadal die aktuelle Nummer eins der Welt.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Bis an die Grenzen
Allerdings ist Nadals Spiel intensiv und kraftraubend. Schon früh in seiner Karriere kommt die Frage auf, wie lange sein Körper die Belastungen mitmacht. Mal zwickt die Schulter, mal macht der Rücken Probleme. Am schlimmsten ist der linke Fuß: Schon seit vielen Jahren leidet Nadal am sogenannten Müller-Weiss-Syndrom, einer degenerative Krankheit, die eine Verformung des Kahnbeins zur Folge hat.
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Ausgebrannt?
Im Jahr 2021 werden die Fußprobleme so stark wie selten zuvor. Nach dem Halbfinal-Aus in Paris legt Nadal eine Pause ein. “Ehrlich gesagt leide ich seit einem Jahr viel mehr mit meinem Fuß als ich sollte und ich muss mir etwas Zeit nehmen”, sagt er damals. Nach einem kurzen Comeback beendet er die Saison vorzeitig. Seine Zukunft auf der ATP-Tour? Zu diesem Zeitpunkt mehr als ungewiss…
-
Rafael Nadal: Vom Sandplatzkönig zum Rekordsieger
Comeback und Rekord
Dann aber kommt er so zurück: Nach einem halben Jahr Verletzungspause marschiert der Spanier bei den Australian Open ohne Mühe durch die ersten Runden. Auch gegen bessere Gegner setzt er sich durch und steht schließlich im Finale gegen Daniil Medwedew. Trotz eines 0:2-Satzrückstands bleibt Nadal im Match, kämpft sich heran und gewinnt schließlich nach 5:24 Stunden seinen 21. Grand-Slam-Titel.
Autorin/Autor: Andreas Sten-Ziemons