Prozessauftakt: Raub im Grünen Gewölbe

Es war einer der spektakulärsten sowie dreistesten Einbrüche der vergangenen Jahrzehnte – und ein Worst-Case-Szenario nicht nur für die Kulturstadt Dresden – auch bekannt als “Elbflorenz”-, sondern für das kulturelle Gedächtnis von ganz Sachsen: Im November 2019 erbeuteten Einbrecher mit brachialer Gewalt zahlreiche Kostbarkeiten aus dem Historischen Grünen Gewölbe. Die zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehörende Juwelensammlung zählt zu den bekanntesten Museen Deutschlands. Die mutmaßlichen Räuber wurden gefasst – am 28. Januar beginnt nun der Prozess gegen die Berliner Clan-Mitglieder.

Der Raub: Beute “von unermesslichem Wert”

Am frühen Morgen des 25. November 2019 waren mehrere Täter gewaltsam durch ein vergittertes Fenster in das Historische Grüne Gewölbe eingedrungen. Für Erstaunen sorgte vor allem die Brutalität der Täter, die augenscheinlich ohne jeglichen Respekt vor der Kunst vorgingen.

Eine Besucherin schaut in die ausgeraubte und nun ausgestellte Vitrine im Juwelenzimmer des Historischen Grünen Gewölbes im Residenzschloss Dresden.

Die ausgeraubte Vitrine im Historischen Grünen Gewölbe

Innerhalb von Minuten zertrümmerten sie mit einer Axt eine Glasvitrine und stahlen gut ein Dutzend Teile von drei historischen Juwelengarnituren aus der Zeit Augusts des Starken (1670-1733). Darunter war auch der “Sächsische Weiße”, ein weißer Diamant mit 48 Karat.

Berliner Clan-Mitglieder auf der Anklagebank 

Nach einem Jahr Ermittlungen in alle Richtungen gab es Mitte November 2020 eine Wendung im Fall “Grünes Gewölbe”: Die nach dem Raub gebildete Sonderkommission “Epaulette” überführte nach einer Groß-Razzia mit rund 1600 Polizisten Mitglieder des Berliner Remmo-Clans.

Zwei Polizisten eskortieren einen jungen Mann, der Handschellen trägt

Im November 2020 führte die Polizei eine Großrazzia in Berlin durch und nahm dabei Mitglieder des Remmo-Clans fest

Drei dringend tatverdächtige Clanmitglieder wurden festgenommen. Kurz darauf wurde außerdem ein Zwillingsbrüderpaar, das ebenfalls dem Clan angehört, von der Polizei überführt. Der sechste und letzte Tatverdächtige, Ahmed Remmo, wurde schließlich am 19. August 2021 festgenommen. Ahmed Remmo musste sich bereits 2020 wegen des Einbruchsdiebstahls im Berliner Bode-Museum verantworten und wurde rechtskräftig verurteilt. 

Verleib der Beute weiterhin unklar

Der Verbleib der kunsthistorisch unschätzbar wertvollen Juwelen ist indes weiter unklar – auch vermeintliche Spuren verliefen bisher ins Leere. Die Juwelengarnituren gehörten zu den besonderen Sehenswürdigkeiten des Grünen Gewölbes. Bei den gestohlenen Werken handelt es sich um den königlichen Brillantschmuck, einen Bruststern des polnischen Weißen Adler-Ordens oder auch um einen diamantenbesetzten Degen.

Die Kunsthistorikerin Ulli Seegers äußerte sich im DW-Interview kurz nach dem Raub schockiert: “Ich konnte es erst kaum glauben, weil das Grüne Gewölbe vor noch nicht allzu langer Zeit mit großem Aufwand wunderschön wieder hergerichtet worden ist. Das war eine Perle, eine Schatzkammer des Weltkulturerbes.” Als Kunsthistorikerin blutete ihr das Herz. “Das ist wirklich ein immenser Schaden, ein Schatz, der wahrscheinlich unwiederbringlich verloren ist.”

Auf die Frage, ob die bis dato nicht wieder aufgetauchten Juwelen wiedergefunden werden könnten äußerte sie sich pessimistisch: “Aufgrund meiner Erfahrung im internationalen Kunstmarkt im Bereich der Kunstkriminalität ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Juwelengarnituren, so wie sie sind, irgendwann wieder auftauchen, eher gering.”

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Bei dem Dresdner Juwelenschatz sei zu befürchten, “dass die Gangster diesen einmaligen Kulturschatz zerstören und in Einzelteile zerlegen werden”, um ihn dann illegal zu verkaufen, so Seegers damals.

Wie gut gesichert sind deutsche Museen?

Unmittelbar nach dem Beutezug waren viele Fragen nach der Sicherheit in deutschen Museen gestellt worden – und danach, wer für den Verlust der Kunstschätze haftet. Seegers sagte der DW, sie sei sich “sicher, dass die Schatzkammer den internationalen Sicherheitsstandards entsprochen hat”. Diese hätten aber offenbar nicht ausgereicht, sonst wäre es nicht zu diesem Einbruchdiebstahl gekommen. Museen seien nun mal keine Hochsicherheitstrakte.

Der Diebstahl von Dresden sei “einmalig, unwiederbringlich und ein Riesenverlust für die Menschheit”, so der Versicherungsexperte Stephan Zilkens im DW-Interview. Vor einem Totalverlust hätte sich das Grüne Gewölbe aber schützen können, analysierte der Experte. Wenn die Juwelen uneingeschränkt veräußerbar und außerdem nicht vom Kulturgutschutzgesetz betroffen wären – beides trifft nicht zu – schätzte er das Ergebnis einer Auktion auf 150 bis 200 Millionen Euro.

“Staatsschatz” Grünes Gewölbe

Das Grüne Gewölbe in Dresden gehört zu den bekanntesten Museen Deutschlands. Die Räumlichkeiten des historischen Gebäudes stammen aus dem 16. Jahrhundert. 1723 errichtete der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke darin eine Schatzkammer. Es befindet sich seit 2006 wieder im Dresdner Residenzschloss – nachdem es ausführlichen Renovierungs- und Restaurationsarbeiten unterzogen worden war.

Links: Wladimir Putin im Grünen Gewölbe (10.10.2006); Rechts: Barack Obama im Grünen Gewölbe (05.06.2009)

Prominente Besucher: Russlands Präsident Wladimir Putin (2006) und US-Präsident Barack Obama (2009)

Nach der Wiedereröffnung wurde es stolz der Weltöffentlichkeit präsentiert. Der russische Präsident Vladimir Putin bekam 2006 eine Führung und der ehemalige US-Präsident Barack Obama machte eine Tour während seines ersten Besuchs in Deutschland 2009.

Heute werden die Juwelensammlungen darin in zwei Abteilungen präsentiert. Der historische Teil befindet sich im Erdgeschoss des Residenzschlosses in den acht authentisch wiederhergestellten Räumen der Sammlung. Eine Etage weiter oben zeigt das Neue Grüne Gewölbe besondere Einzelstücke. Der Name kommt von der malachitgrünen Bemalung im Innern der Räume.