Im Konflikt zwischen dem von konservativen Politikern dominierten Parlament und der Regierung holt Perus linksgerichteter Präsident Pedro Castillo zum Schlag gegen den Kongress aus. Der Kongress habe den Rechtsstaat, die Demokratie und das Gleichgewicht zwischen den Staatsgewalten zerstört, sagte Castillo. “Er werde das Parlament vorübergehend auflösen und eine Notfall-Regierung einsetzen, sagte der Staatschef in einer Ansprache. Zudem kündigte er eine Neuwahl des Kongresses an. Die Parlamentarier sollen dann innerhalb von neun Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten. “Bis der neue Kongress seine Arbeit aufnimmt, werden wir mit Dekreten regieren”, kündigte Castillo an. Der Präsident verhängte eine landesweite Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 4 Uhr und kündigte eine Reform des Justizwesens an.
Kongress ignoriert Auflösung
Ungeachtet der Präsidentenentscheidung stimmten die Parlamentarier nach der angekündigten Auflösung des Kongresses für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Castillo. In der live im Fernsehen übertragenen Sitzung stimmten 101 der insgesamt 130 Abgeordneten für dessen Amtsenthebung wegen “moralischer Unfähigkeit”. Gegen den Staatschef laufen mehrere Ermittlungsverfahren und eine Verfassungsbeschwerde wegen Vorwürfen wie Korruption, Beteiligung am organisierten Verbrechen und Behinderung der Justiz.
Breite Front gegen die Präsidentenentscheidung
Perus Generalstaatsanwältin Patricia Benavides und Vizepräsidentin Dina Boluarte verurteilten ebenso wie die Opposition die Auflösung des Kongresses durch Castillo als Staatsstreich. Zahlreiche Minister traten nach Castillos Ankündigung zurück und begründeten dies mit der Verletzung des Rechtsstaats und der demokratischen Grundsätze.
Die Abgeordnete Martha Moyano von der oppositionellen rechten Partei Fuerza Popular sagte: “Er darf nicht tun, was er gerade getan hat. Das ist illegal.” Der Abgeordnete und frühere Admiral José Cueto schrieb auf Twitter: “Was Pedro Castillo getan hat, ist ein Staatsstreich. Die Streitkräfte werden die Verfassung unterstützen und nicht den Diktator.”
Permanenter Streit seit Monaten
Castillos Regierung steht seit dem Amtsantritt des ehemaligen Dorfschullehrers im Juli vergangenen Jahres unter Druck. Wegen verschiedener Vorwürfe oder Meinungsverschiedenheiten räumten immer wieder wichtige Minister ihre Posten. Erst vor zwei Wochen ernannte Castillo eine neue Kabinettschefin – die fünfte in knapp eineinhalb Jahren.
Die Regierung des Linkspolitikers Castillo befindet sich zudem in einem permanenten Machtkampf mit dem Parlament. Zuletzt verweigerte der Kongress dem Staatschef die Erlaubnis, zum Gipfel der Pazifik-Allianz nach Mexiko zu reisen, und ließ das Treffen damit platzen. Auch gegen zahlreiche Parlamentarier wird wegen verschiedener Vorwürfe ermittelt. Der Präsident hat bislang bereits zwei Amtsenthebungsverfahren überstanden. Zwei von Castillos Vorgängern wurden in ähnlichen Verfahren ihres Amtes erhoben.
qu/uh (dpa, rtr, afp)