Legendäre Plattencover: Comic trifft Vinyl

Welcher Musikliebhaber und welche Musikliebhaberin kennt das nicht? Man spaziert in einen Plattenladen und bleibt an einem Cover hängen. Vielleich weil es besonders schön, auffällig oder gar verstörend ist – egal, ein Blickfang eben, der zum Kauf motiviert. Und manchmal landen so Alben in unseren Musiksammlungen, die man sonst vielleicht nicht unbedingt gekauft hätte. 

Dass Schallplattencover wahre Kunstwerke sein können, weiß man spätestens seitdem Aubrey Powell und Storm Thorgerson in ihrem legendären britischen Foto-Design-Studio “Hipgnosis” Cover für Bands wie Pink Floyd, The Rolling Stones oder Led Zeppelin entwarfen. Seit 1968 haben die beiden Briten rund 350 Plattencover entworfen, die dazu beigetragen haben, dass die dazugehörigen Scheiben Kultstatus erreichten. 

Die kulturelle Revolution der 1960er spiegelte sich auch in den Designs der Plattencover wider. Dass irgendwann die Comicwelt auf die (Rock-)Musikwelt treffen würde, war eigentlich nur eine Frage der Zeit: 1965 war die kalifornische Stadt San Francisco nicht nur Sehnsuchtsort vieler Musiker und Hippies, sondern auch Heimat bekannter Undergroundzeichner. Robert Crumb etwa entwarf das detailreiche Cover für “Cheap Thrills” von Janis Joplins Band “Big Brother & the Holding Company”. 

Buntes Comic-Vinyl-Cover. In der Mitte rekelt sich eine Comic-Janis-Joplin auf einem Sofa.

Comics sind unter anderem auch ein Ventil für das Thema sexuelle Befreiung

Crumb soll 1967 nur einen Tag bekommen haben, um das Cover fertigzustellen, schreibt Eckart Sackmann in seinem Ausstellungskatalog “VINYL! Die Comic-Cover”. Derzeit kuratiert Sackmann eine gleichnamige Ausstellung in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen. Ursprünglich soll Crumps Werk als Backcover geplant gewesen sein, mit einer Illustration zu jedem Songtitel. “Der Zeichner soll es später bedauert haben, mit einem Pauschalhonorar von 600 Dollar abgefunden worden zu sein. Immerhin war es ihm vertraglich gestattet, Joplins Busen berühren zu dürfen”, schreibt Sackmann in seinem Katalog.

Ende der 1960er-Jahre sind Comics ein perfektes Medium, um gegen das Establishment zu rebellieren und sich etwa für mehr sexuelle Freiheit zu setzen. Aber die Künstler lehnen sich mit ihren Illustrationen auch gegen die damalige Politik und den Vietnamkrieg auf und kämpfen für Bürgerrechte. “Es war eine laute, eine offene, eine Aufbruchsstimmungszeit”, so Sackmann. Und die zeigte sich sowohl in der Kunst als auch in der Musik. 

Comics und Cover bildeten die perfekte Symbiose

In den 1970er- und 1980er-Jahren setzt sich die Symbiose zwischen Comics und Musik fort. Dabei greifen sowohl berühmte als auch Undergroundbands auf die Dienste von Comic-Künstler zurück. Die dänische Band Gasolin’ etwa ist Fan von Tim-und-Schöpfer Hergé. Woraufhin der Belgier ein Cover für ihre 1971 erschiene Scheibe “Gasolin'” entwirft. 

Zeichnung von Hergè: Menschen in einem blauen Auto fahren an einer voll besetzten Straßenbahn vorbei, auf der Gasolin' zu lesen ist.

Mit seiner unverkennbaren Art zu zeichnen, hat Hergé diese Straßenszene illustriert

Skandalmusiker Frank Zappa lässt das Cover zu seiner LP “The Man from Utopia” vom italienischen Zeichner Tanino Libertore gestalten. Das Cover erzählt eine Geschichte: Es bezieht sich auf eine mehr oder minder katastrophale Tour, die Frank Zappa im Jahr zuvor durch Italien gemacht hatte. Von Problemen mit der Mafia bis hin zu technischen Hürden war alles dabei. Das Cover selbst bezieht sich auf ein Konzert in der Nähe von Mailand, bei dem Zappa und seine Band von Mückenschwärmen angegriffen wurden, die sie stachen und die Musiker fast daran hinderten, weiterzuspielen.

Auf diesem Cover sieht man den Musiker Frank Zappa mit gestähltem Körper. Er hält in der einen Hand seine Gitarre, die er vor lauter Kraft am Hals zerbricht. In der anderen Hand hält er eine rosafarbene Mückenklatsche.

Zappa mit Bodybuilder-Körper und Fliegenklatsche zur Hand – Angriff der Killermücken erfolgreich abgewehrt!

In den 1990er-Jahren wurde die Schallplatte zunehmend von der CD verdrängt. Die kleineren Cover boten weniger Fläche für die großformatige Comic-Kunst. Dennoch hielten manche Musiker trotzdem an den bildstarken Artworks fest. Anfang der 1990er-Jahre ließen Motörhead etwa dieses legendäre Cover für ihr Best-Of-Album gestalten.  

Ein Werwolf mit blutbefleckten Zähnen, daneben der vertikale Schriftzug in roten Buchstaben: Motörhead

Simon Bisley, der unter anderem für DC Comics arbeitet, kreierte dieses blutrünstige Cover für Motörhead

Mittlerweile werde ein Großteil der Musik gestreamt, heutige Hörer hätten bei der Musik meist kein Bild mehr vor Augen, meint Kurator und Comicfan Eckart Sackmann. “Früher war das anders: Denken Sie an Sgt. Pepper’s (berühmtes Album der Beatles, Anmerk. d. Red.), und sie sehen das Plattencover.” Mit seiner Ausstellung in Oberhausen, die vom 16. Januar bis zum 8. Mai läuft, und dem dazugehörigen Katalog hat sich Sackmann einem wenig erforschten Thema gewidmet. “Es gibt ein wenig Literatur in Frankreich, aber in Deutschland gibt es so gut wie keine”, meint Sackmann, der selbst sowohl Schallplatten als auch Comics sammelt. Für die Ausstellung “VINYL! Die Comic-Cover” hat er 200 beeindruckende Comic-Schallplatten-Cover zusammengetragen.