Am Freitag ist in Italien gleich zwei Mal über einen neuen Staatspräsidenten abgestimmt worden. Doch auch im sechsten Wahlgang wurde die absolute Mehrheit von 505 Stimmen verfehlt, wie der Präsident der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, nach der Auszählung in Rom mitteilte. Nur 336 Politiker votierten für den noch amtierenden Präsidenten Sergio Mattarella. 1009 Parlamentarier und Regionenvertreter entscheiden über das künftige Staatsoberhaupt, das in Italien weitgehend repräsentative Aufgaben hat.
Präsident Sergio Mattarella (2.v.r.) und US-Präsident Joe Biden Ende Oktober beim G20-Gipfel in Rom
Das Mitte-Rechts-Lager, zu dem die rechtsradikale Lega und die Partei des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zählen, hatte zuvor Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati als Kandidatin aufgestellt. Doch die 75-jährige katholische Abtreibungsgegnerin der konservativen Forza Italia bekam in der fünften Runde nur 382 Stimmen und damit auch deutlich weniger als die 453 im eigenen Lager.
Auch die konservative Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati bekam zu wenig Stimmen
Mit diesem Wahlgang nahmen auch die Differenzen mit dem linksliberalen Block zu, denn die Kandidatur Casellatis war nicht zwischen beiden Lagern abgestimmt worden. Im sechsten Durchgang enthielt sich der rechte Block der Stimme, das linke Lager hatte keinen Kandidaten aufgestellt.
Salvini will eine “tüchtige Frau”
Wegen der komplizierten Lage trafen sich am Abend die Parteichefs der Lega, der Sozialdemokraten und der Fünf-Sterne-Bewegung, die zusammen einen beträchtlichen Teil der Stimmen hinter sich vereinen. Lega-Chef Matteo Salvini sprach sich anschließend vor Journalisten für eine “tüchtige Frau” als Staatspräsidentin aus, ohne einen Namen zu nennen. Sterne-Parteichef Giuseppe Conte äußerte sich ähnlich.
Zuvor gab es Überlegungen, den scheidenden Präsidenten Sergio Mattarella um eine zweite Amtszeit zu bitten. Dies hat der 80-Jährige bisher ausgeschlossen.
Draghi würde auch gerne antreten
Auch Regierungschef Mario Draghi signalisierte, dass er den Posten des Präsidenten gerne hätte. Doch die wichtigsten Parteien weigerten sich bisher, seinen Namen zur Abstimmung zu stellen. Eine Rolle spielt hierbei auch die Sorge, damit eine Regierungskrise und vorgezogene Neuwahlen in Italien zu provozieren.
Der 74-jährige Mario Draghi könnte als Staatschef für gute Beziehungen zur EU sorgen
Ein siebter Wahlgang soll nun am Samstagvormittag stattfinden. Künftig sind stets zwei Durchgänge pro Tag geplant, um das Vorgehen zu beschleunigen.
Den Rekord für die längste Wahl hält Giovanni Leone von der Democrazia Cristiana, der 1971 erst im 23. Wahlgang zum Staatspräsidenten gewählt worden war.
se/ml (dpa, rtr, afp, ap)