Ergebnisse und Gefühlswelten stehen nicht immer im Einklang. Meshkatolzahra Safi darf sich als Siegerin fühlen, obwohl ihr Spiel gegen Sofia Costoulas aus Belgien klar verloren geht. Zu denkwürdig ist ihr Auftritt im Juniorinnen-Wettbewerb der Australian Open in Melbourne. Und das nicht, weil die 17-Jährige in der australischen Hitze von über 30 Grad mit Kopftuch, Langarmshirt und Leggings auf dem Court steht. Dazu sagt sie lediglich: “Ich bin es gewohnt, bedeckt zu spielen, seit ich neun Jahre alt war. Ich mache das auch weiter. Das ist ein Teil von mir.”
Die eigentliche Sensation ist, dass sie es als Spielerin überhaupt zu einem Grand-Slam-Turnier geschafft hat. Ein Anachronismus in der hochgezüchteten Welt des Nachwuchs-Tennis. “Ich bin total glücklich, dass ich an diesem einzigartigen Tag die Iranerinnen und Iraner glücklich machen konnte”, sprudelte es aus ihr heraus, nachdem sie ihr Erstrundenmatch gewonnen hatte. Safi ist die Nummer 74 der Juniorinnen-Weltrangliste und besiegte die australische Qualifikantin Anja Nayar zum Auftakt mit 6:4 und 6:3. “Ich hoffe, dass mein heutiger Sieg Türen öffnet, für den Tennissport im Iran”, sagte sie.
Suche nach einem Tennisplatz
Rafael Nadal war für sie der Auslöser, überhaupt einmal den Schläger in die Hand zu nehmen. Safi wächst in Karadsch auf, 40 Kilometer westlich von Teheran. Sie ist acht Jahre alt, als sie Tennis entdeckt, statt des allgegenwärtigen Fußballs im iranischen Fernsehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter verfolgt sie ein Match des Spaniers. “Wir waren fasziniert und gleichzeitig neugierig, ob es im Iran überhaupt einen Platz gibt, wo wir das mal ausprobieren könnten”, erzählt sie der australischen Zeitung “The National”.
Tennis, das muss man wissen, hat seit der islamischen Revolution im Iran 1979 einen schweren Stand. Von Revolutionsführer Khomeini als versnobtes Erbe des Schahs gegeißelt, war der weiße Sport jahrelang streng verboten. Fußball, Ringen und Gewichtheben sind bis heute die beliebtesten Sportarten in dem Land. Von Staats wegen werden die Männer dabei in den Vordergrund gerückt, Frauen erst seit kurzem überhaupt als Zuschauerinnen zugelassen. Obwohl das Interesse an Frauensport vorhanden ist, spielt er in der Öffentlichkeit keine nennenswerte Rolle, so will es die Politik. Im Staatsfernsehen werden davon keine Bilder gezeigt – auch nicht von Safi. Wer im Iran ihre Spiele verfolgen will, muss sich andere Wege suchen. Dennoch spürt Safi das Echo ihres Erfolges: “Ich bin allen Landsleuten, die mir Nachrichten geschickt haben, sehr dankbar.”
Keine finanzielle Unterstützung
Aus eigener Kraft: Safi in Melbourne
Bemerkenswert ist ihr Weg vom Talent bis unter die Top-100 der Nachwuchs-Weltrangliste neben gesellschaftlicher Widrigkeiten auch deshalb, weil sie einzig auf die Unterstützung ihrer sportbegeisterten Familie zählen kann. Potente Sponsoren gibt es kaum, finanzielle Förderung des iranischen Tennisverbandes sowieso nicht. “Ich habe vieles durchgemacht, um es hierher nach Melbourne zu schaffen”, betont sie. Das Training, Visaangelegenheiten und Reisen zu den ITF-Nachwuchsturnieren und ihren Lebensunterhalt zahlt sie aus eigener Tasche. Inzwischen trainiert sie regelmäßig in der Optigenpro Tennis Academy in Teheran, angeleitet von Toni Androvic und Vradan Lubicic, zwei kroatischen Coaches.
Dass ihr Erfolg keine Eintagsfliege sein muss, zeigt ihre Konstanz im vergangenen Jahr. Safi gewann sechs der sieben Juniorinnen-Turniere, an denen sie teilgenommen hat. Und ein Titel ist ihr nicht mehr zu nehmen: Türöffnerin für Frauentennis im Iran.