“Durch unsere Bemühungen im Bereich des grünen Wasserstoffs sind wir gut gerüstet, um ein führender Lieferant für saubere und grüne Energie in die ganze Welt zu werden!” Namibias Präsident Hage Geingob verkündete jüngst auf der UN-Weltklimakonferenz in Ägypten große Ambitionen. Erst kürzlich hat seine Regierung ihre Strategie zur Produktion und zum Export von grünem Wasserstoff vorgestellt.
Bis zu 12 Millionen Tonnen Wasserstoff sollen bis 2050 produziert werden. 600.000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen – in einem Land mit einer Gesamtbevölkerung von schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen.
Einer der ersten Interessenten für grünen Wasserstoff aus Namibia war die deutsche Bundesregierung. Und auf den ersten Blick passt alles – Deutschland sieht grünen Wasserstoff als Energieträger der Zukunft, während Namibia mit reichlich Sonne und noch mehr Platz über die idealen Herstellungsbedingungen verfügt.
In Windhoek erhoffen sich die Menschen im Township Aufschwung und Entwicklung durch den grünen Wasserstoff
Daher wird der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an diesem Wochenende (4. und 5. Dezember) nach Namibia reisen, um vor Ort mit nationalen Entscheidungsträgern über grünen Wasserstoff zu sprechen.
Grüner Wasserstoff soll Entwicklung und Jobs ins Township bringen
Das Land benötigt gleichzeitig reichlich Geld von ausländischen Investoren. Von bis zu 190 Milliarden US-Dollar ist die Rede, die bis 2040 gebraucht werden, um eine Wasserstoffindustrie in Namibia auf die Beine zu stellen. Umgekehrt erhofft sich die namibische Regierung dadurch Entwicklungsmöglichkeiten für das Land.
Bis zum Ende des Jahrzehnts soll grüner Wasserstoff mit bis zu sechs Milliarden US-Dollar zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Der namibische Hafenbetreiber Namport hat außerdem bereits Absichtserklärungen mit den Häfen von Rotterdam und Antwerpen unterzeichnet.
Vanstaden Kamwi, Wachmann am Oshetu Open Market, erwartet Veränderungen durch die entstehende Wasserstoff-Industrie
Vanstaden Kamwi, der als Wachmann am Oshetu Open Market in Katutura arbeitet, sagt gegenüber der DW, er habe hohe Erwartungen an den grünen Wasserstoff. Er hoffe auf “Veränderungen in unserem Land”, zu denen auch neue Arbeitsplätze gehören sollten. Brian Kaangundue, ein Lehrer in Katutura, schätzt die Auswirkung auf die Gemeinschaften im Township Windhoeks, wo Arbeitslosigkeit zu den drängendsten Problemen zählt, als weitreichend ein: “Man [bildet] jemanden aus, damit er zurückkommen und einen positiven Einfluss auf die Gemeinschaft ausüben kann, und Katutura ist auch ein Teil davon.”
Auch Rachel Nghimulitete, Moderatorin bei einem Jugendradiosender, bewertet die Produktion von grünem Wasserstoff in Namibia positiv: “Ich habe das Gefühl, dass es Geld ins Land bringen wird. Natürlich werden wir auch saubere Energie im Land haben, was bedeutet, dass Energie billiger wird. Vielleicht wird Strom für uns billiger, hoffentlich. Aber ich erwarte auch Entwicklung von dem Projekt.”
Brian Kaangundue, Lehrer in Katutura, hofft auf Arbeitsplätze für seine Schülerinnen und Schüler
Dennoch hat sie gewisse Vorbehalte, wie andere auch: “Es gibt natürlich Befürchtungen, dass das Geld für die falschen Zwecke verwendet wird oder in die Korruption fließt, aber insgesamt sind wir zuversichtlich!” Der Straßenverkäufer Pombili William befürchtet, die neu aufgebaute Industrie um grünen Wasserstoff könnte zu einem zweiten Fishrot werden.
Im Jahr 2019 haben die Fishrot Files Korruption bei der Verteilung von Fischereiquoten aufgedeckt. Samherji, eines der größten isländischen Fischereiunternehmen, hatte mit hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft in Namibia zusammengearbeitet, um bevorzugten Zugang zur Fischerei im Land zu erhalten. Es handelt sich um den bisher größten Korruptionsfall Namibias. Zwei ehemalige Minister befinden sich seitdem in Haft.
Pombili William, Maisverkäufer in Katutura, sorgt sich um die Begehrlichkeiten, die das Geschäft mit Wasserstoff weckt
Opposition kritisiert Vergabeprozess
Bei der größten Oppositionspartei des Landes, der Popular Democratic Movement (PDM), läuten daher die Alarmglocken. Es gebe berechtigten Anlass zur Sorge, dass die riesigen Investitionssummen aus dem Ausland zum Aufbau einer Wasserstoffindustrie nur politisch gut vernetzten Einzelpersonen zu Gute kommen würden, so PDM-Parteichef McHenry Venaani.
Die Vergabe des Regierungsauftrags an Hyphen Hydrogen Energy hätten seine Bedenken bestätigt. “Wie ist es möglich, dass eine sechs Monate alte Firma ohne jegliche Erfolgsbilanz den größten Regierungsauftrag in der Geschichte unseres Landes erhält?”, bemängelte der Oppositionspolitiker kürzlich auf einer Pressekonferenz in Windhoek.
Sonne satt: Solaranlage in Tsumke, Namibia
Hyphen Hydrogen Energy ist ein Joint Venture des deutschen Energieunternehmens Enertrag und der multinationalen Investmentfirma Nicholas Holdings, die sich auf nachhaltige Energie im südlichen Afrika spezialisiert hat. Das Unternehmen erhielt den Auftrag, ein 9,4-Milliarden-Dollar-Projekt für grünen Wasserstoff im Sperrgebiet im Süden des Landes zu entwickeln. Die Genehmigung wurde Hyphen Hydrogen Energy für 40 Jahre erteilt.
Mangelnde Transparenz verärgert Regionalpolitiker im Süden
Auch im Süden des Landes blickt man skeptisch auf die Vereinbarung zwischen der deutschen und der namibischen Regierung. “Ich habe schon mehrfach an den Präsidenten und seine Berater geschrieben, ohne Ergebnis”, sagt Joseph Isaacks, der Vorsitzende des Regionalrats der Kharas-Region, im Interview mit der DW. Er gehört der oppositionellen Landless People’s Movement (LPM) an, die seit den Wahlen 2019 die beiden südlichen Regionen Namibias regiert.
Aus seiner Sicht ist der Ausschluss der Lokalpolitiker durch Präsident Hage Geingob ein Verfassungsbruch. “Obwohl das Projekt von dieser Region ausgehen soll, ist der Regionalrat von allen Diskussionen und Treffen ausgeschlossen. Wir sind kein Teil davon!”
Wirbt weltweit um grünen Wasserstoff: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hier bei der Übergabe einer Testlieferung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Deutschland im Oktober
Vom anstehenden Besuch Habecks in Namibia will der Lokalpolitiker nichts gewusst haben. Gegenüber der DW fragt er: “Wenn der deutsche Minister für Wasserstoff kommt, warum wurden wir nicht informiert? Warum wurden wir nicht eingeladen? Warum können wir nicht unseren Standpunkt vertreten?”
Das Energieministerium hingegen sagt per Pressemitteilung, die Regierung werde die Einbindung der örtlichen Gemeinschaft und die Unterstützung regionaler Interessengruppen garantieren.