“Die Augen der Nation sind auf Sie gerichtet”, appellierte US-Präsident Joe Biden an die Wähler im Bundesstaat Georgia und rief sie zur Stimmabgabe auf. Umfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem demokratischen Amtsinhaber Raphael Warnock und dem von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten früheren American-Football-Star Herschel Walker von den Republikanern voraus. Der Ausgang der Stichwahl entscheidet darüber, wie viel politischen Spielraum die Demokraten künftig in der Kongresskammer haben werden.
Bei den Midterms, den Kongress-Zwischenwahlen im November, hatte die Demokratische Partei ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus zwar verloren. In der anderen Kongresskammer, dem Senat, konnte sie aber ihre hauchdünne Mehrheit verteidigen. 50 der 100 Mandate sind den Demokraten bereits sicher. Damit hat Bidens Regierungspartei die Kontrolle in der bedeutenden Kammer. Denn die demokratische US-Vizepräsidentin Kamala Harris, die gleichzeitig Präsidentin des Senats ist, darf in einer Pattsituation mit abstimmen.
Der demokratische Amtsinhaber Raphael Warnock wirbt am Montag nochmals um jede Stimme
Dass es überhaupt zu einer Stichwahl zwischen dem 53-jährigen Warnock und dem sieben Jahre älteren Walker gekommen war, liegt am Wahlrecht in Georgia. Der Südstaat verlangt, dass ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt. Warnock landete am 8. November zwar knapp vor Walker, die 50-Prozent-Marke erreichte er aber nicht. Es gab im ersten Wahlgang noch einen dritten Kandidaten.
Der Baptistenpfarrer Warnock ist der erste schwarze US-Senator aus Georgia. Bei der Stichwahl sind die Blicke aber vor allem auf seinen Herausforderer gerichtet, denn Walker hat im Wahlkampf für zahlreiche Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Der Politik-Neuling hatte seinen Lebenslauf geschönt, hinzu kamen Vorwürfe häuslicher Gewalt, die seine Ex-Frau gegen Walker erhob. Außerdem beschuldigten ihn zwei Frauen, er habe sie nach Affären mit ihm zur Abtreibung gedrängt. Pikant ist dies auch deshalb, weil Walker als erzkonservativer Abtreibungsgegner auftritt. Die Anschuldigungen wies er zurück.
Vom Sport in die Politik: der republikanische Herausforderer Herschel Walker
Mit bizarren Äußerungen zog der als College-Football-Spieler zur Legende gewordene Kandidat sich zudem immer wieder den Spott von Kommentatoren zu, so etwa, als er bei einem Wahlkampfauftritt über Vampire und Werwölfe fabulierte.
Sowohl Biden als auch Trump lassen sich nicht blicken
Präsident Biden ließ sich im Wahlkampf nicht in Georgia blicken – angesichts seiner geringen Beliebtheitswerte. Stattdessen kam der nach wie vor sehr populäre Ex-Präsident der Demokraten, Barack Obama, in den Bundesstaat. Dort ist der Anteil schwarzer Wähler höher als in vielen anderen Staaten.
Nicht nach Georgia reiste auch Walker-Förderer Trump. Da er bei Wählern der politischen Mitte auf viel Ablehnung stößt, ließ sich der 76-Jährige von seinen Beratern davon überzeugen, dass er Walker im Wahlkampf mehr schaden als helfen würde. Am Montagabend warb Trump bei einer digitalen Veranstaltung für seinen Kandidaten. Falls dieser siegen sollte, dürfte Trump, der 2024 wieder ins Weiße Haus in Washington einziehen will, dies trotzdem als seinen Erfolg verkaufen.
se/mak (afp, ap, dpa, rtr)