Nun also Friedrich Merz. Ein digitaler CDU-Bundesparteitag hat den 66-Jährigen erwartungsgemäß zum neuen Parteichef gewählt. Er erhielt 915 von 967 gültig abgegebenen Stimmen, das sind 94,62 Prozent. Als er die Wahl annahm, kämpfte Merz sichtlich mit den Tränen.
Vor Weihnachten hatte er sich in einer Befragung der gut 380.000 Parteimitglieder, der ersten dieser Art bei den Christdemokraten, gegen die Mitbewerber Norbert Röttgen und Helge Braun durchgesetzt. Damit ist Merz bereits der dritte CDU-Chef nach dem Rückzug der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel von diesem Amt im Dezember 2018.
Applaus für den Sieger – Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Röttgen am 17. Dezember 2021
Merz nannte den Parteitag mit der personellen Neuaufstellung ein “kraftvolles Signal des Aufbruchs und der Erneuerung”. Die CDU wolle zunächst Landtagswahlen gewinnen und politische Chancen nutzen. Er kündigte an, die Arbeiten für ein neues Grundsatzprogramm, das insgesamt vierte in der Geschichte der Partei, vorantreiben zu wollen.
Deutliche Kritik äußerte der neue Parteichef in seiner 20-minütigen Bewerbungsrede an Bundeskanzler Olaf Scholz. Er lasse politische Führung vermissen und engagiere sich in der Ukraine-Krise viel zu wenig.
“Ich weiß, was ich als zehnter Parteivorsitzender dieser Partei seit 1948 auch an Aufgaben vor mir habe. Und davor habe ich großen Respekt”, sagte Merz im Vorfeld des Parteitages. Als er 2018 erstmals nach dem Amt strebte, führte die Union noch die Bundesregierung an, und die CDU stellte die Regierungschefin. Nun bleiben ihr die Oppositionsbänke im Bundestag, gleich neben der rechtspopulistischen AfD.
Erste Kandidatur vor fünf Jahren
Merz kündigte an, er werde “selbstverständlich auch für die Partei in der ganzen Breite stehen und alle Themen mit behandeln, die unsere Partei als wichtig empfindet”. Er hoffe, dass es ihm gelinge, “auch alle anderen in die Führung der Partei so zu integrieren, dass daraus wieder ein Bild eines Ganzen wird”, in dem unterschiedliche politische Ideen, Meinungen und Strömungen ihren Platz finden sollten.
Nun bekommt Merz die Macht, die er seit langem wollte. Der Wirtschaftsjurist, geboren 1955, stammt aus einer ländlich geprägten Gegend des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Mit seiner Ehefrau Charlotte, Direktorin eines Amtsgerichts, ist er seit 1981 verheiratet. Sie haben drei erwachsene Kinder.
Merz zog 1994 erstmals für die CDU in den Bundestag ein. Schon damals standen Angela Merkel und er für unterschiedliche Lager innerhalb der CDU. Nur im alphabetischen Verzeichnis der Abgeordneten standen die beiden einander wirklich nahe.
Konservativer will Partei modernisieren
Merz war deutlich traditionell-konservativer. Im Kampf um den Vorsitz der Bundestagsfraktion 2002 musste sich Merz dann der aufstrebenden Merkel unterordnen – und schied schließlich 2004 schmollend aus der Parteiführung und 2009 aus dem Bundestag aus.
Friedrich Merz und Angela Merkel, hier im April 2000 im Fraktionssaal der Union im Reichstag
In den folgenden Jahren machte er Karriere in der Wirtschaft. 2016 wurde er Chef der deutschen Niederlassung des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Als Merkel 2018 ihren Rückzug vom Parteivorsitz ankündigte, warf Merz seinen Hut in den Ring. Doch Ende 2018 musste er Annegret Kramp-Karrenbauer den Vortritt lassen, im Frühjahr 2021 dann Armin Laschet. Beide standen parteiintern für den Kurs von Kanzlerin Merkel.
Vor einem Jahr noch unterlegen – Norbert Röttgen und Friedrich Merz mit dem späteren CDU-Chef Armin Laschet
Merz blieb dagegen stets distanziert und kritisch. Das Erscheinungsbild der Regierung unter Merkel bezeichnete er einmal als “grottenschlecht”. Nach dem für viele in der Partei ernüchternd schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl 2021 versucht der Sauerländer nun, die Partei zu einen und das ein oder andere Zeichen der Modernisierung zu setzen.
Neue Köpfe im Bundesvorstand
So schlug er den ehemaligen Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja, 46, als künftigen CDU-Generalsekretär vor und die 34-jährige Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp aus Baden-Württemberg als stellvertretende Generalsekretärin – ein Posten, der aber erst noch von einem Präsenz-Parteitag geschaffen werden muss. Und unter den nun allesamt neu gewählten Mitgliedern des CDU-Bundesvorstands finden sich deutlich mehr Frauen als bislang.
Hoffnungsträgerin im Team Merz – Christina Stumpp
Merz formulierte in den vergangenen Wochen mehrfach die deutliche Absage an jede Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD. Und kurz nach seiner Basis-Kür zum CDU-Chef sprach er sich dafür aus, dass homosexuelle Paare die Möglichkeit zur Adoption erhalten sollten. Das steht früheren Positionen des konservativen Politikers deutlich entgegen. Er verändert sich.
Merz, der während seiner ersten Jahre als Abgeordneter als einer der besten Redner im Parlament galt, ist ein überzeugter Europäer. Bevor er in den Bundestag einzog, war er ab 1989 fünf Jahre lang Abgeordneter im Europäischen Parlament.
Transatlantiker mit “Bierdeckel”-Idee
Und Merz hat starke transatlantische Verbindungen. Niemand aus der CDU-Führung war in den letzten zehn Jahren häufiger in den USA als Merz. Der Wirtschaftsliberalismus des Landes beeindruckt und prägt ihn zugleich. “Wir würden uns gut verstehen”, sagte Merz 2020 über den damaligen Präsidenten Donald Trump.
Vielen Älteren in Deutschland ist Merz noch mit seiner “Bierdeckel”-Idee im Gedächtnis. 2003 schlug er vor, die Steuererklärung müsse “auf einem Bierdeckel” Platz haben, statt seitenweise Formulare ausfüllen zu müssen. Wie das in der Praxis umgesetzt werden soll, konnte er allerdings nicht beantworten.
Die erste Bewährungsprobe folgt für Merz Ende März. Dann stehen im Saarland Landtagswahlen an. Und derzeit ist unsicher, ob die CDU in dem kleinen Bundesland im Südwesten der Republik ihre Spitzenposition verteidigen kann.