Türkisches Oppositionsbündnis wieder vereint

Wenige Tage nach einem Zerwürfnis ist in der Türkei ein Oppositionsbündnis gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan vorerst wieder vereint. Die Chefin der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, nahm in Ankara überraschend an einem Treffen mit fünf weiteren Parteien teil, obwohl sie erst am Freitag die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte. Umstehende applaudierten, als sie zur Sitzung erschien.

CHP-Parteichef soll schlechte Umfragewerte haben

Grund für den Streit war die Frage, wer bei den am 14. Mai geplanten Präsidentenwahlen gegen Erdogan antreten soll. Die größte Oppositionspartei CHP wollte ihren Parteichef Kemal Kilicdaroglu aufstellen und wurde dabei von vier kleineren Parteien unterstützt. Aksener machte deutlich, dass sie das nicht mittrage, weil der Oppositionsführer ihrer Ansicht nach schlechte Gewinnchancen habe. Sie wollte den beliebten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu oder den Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, nominieren. Beide CHP-Politiker schneiden in Umfragen besser ab als ihr Parteichef.

Kemal Kilicdaroglu Vorsitzender der Republikanischen Volkspartei CHP in der Türkei sitzt an einem Tisch und gestikuliert

War in die Kritik geraten: Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der Republikanischen Volkspartei CHP (Archivbild)

Nach Angaben der Iyi-Partei wurde nun ein Kompromiss gefunden: Kilicdaroglu soll wie geplant als Kandidat aufgestellt werden, die beiden Bürgermeister sollen im Falle eines Wahlsiegs zu Vizepräsidenten ernannt werden. Die offizielle Ankündigung des gemeinsamen Oppositionskandidaten wird für Montagabend erwartet.

Aksener für die Schärfe ihrer Aussagen kritisiert

Akseners Austritt aus dem Bündnis hatte für große Aufregung in der Opposition geführt. Sie wurde vor allem für die Schärfe ihrer Aussagen kritisiert. Sie hatte etwa gesagt, die Wahl zwischen Erdogan und Kilicdaroglu sei eine “zwischen Tod und Malaria”. Inwieweit der Streit dem Bündnis geschadet hat, ist noch nicht klar.

Umfragen deuten auf ein enges Rennen bei der Präsidentschaftswahl im Mai hin. Zudem stehen Erdogan und seine Regierung nach den verheerenden Erdbeben vor gut einem Monat massiv in der Kritik. Ihnen wird unzureichendes und zu langsames Krisenmanagement vorgeworfen.

Stimmabgabe im Erdbebengebiet problematisch

Zunächst hatte es auch Zweifel gegeben, ob die Behörden angesichts der schweren Schäden die Wahlen im Erdbebengebiet im Südosten des Landes rechtzeitig vorbereiten und die logistischen Rahmenbedingungen für die Stimmabgabe schaffen können. In der betroffenen Region leben etwa 14 Millionen Menschen. Bei den Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet waren allein in der Türkei mehr als 45.000 Menschen ums Leben gekommen. Millionen wurden obdachlos und mussten in Notunterkünften untergebracht werden.

nob/ww (dpa, rtr)