Proteste nach Beschlüssen zu Rentenreform in Frankreich

Einen Tag nach der Entscheidung von Frankreichs Regierung, das Renteneintrittsalter ohne parlamentarische Zustimmung zu erhöhen, kam es am Freitagmorgen erneut zu Protesten. Demonstranten blockierten etwa eine halbe Stunde lang die Pariser Stadtautobahn. Die Gewerkschaft CGT kündigte die Stilllegung einer Raffinerie in der Normandie an. Bisher waren die Raffinerien zwar teilweise blockiert, hatten aber weiter produziert.

Auch in einigen anderen Städten wie etwa in Rennes und Brest blockierten Protestierende vorübergehend Straßen und Kreisverkehre, berichtete die Zeitung “Le Parisien”. Junge Demonstranten versperrten Gymnasien und Universitäten, wie etwa in Clermont-Ferrand und Lille.

Schon am Donnerstagabend gingen in mehreren Städten Menschen auf die Straße. Teilweise kam es dabei zu Ausschreitungen. Die Polizei in Paris löste eine Demonstration mit Wasserwerfern und Tränengas auf. 310 Menschen wurden festgenommen. Ein Streik der Müllabfuhr führt in der französischen Hauptstadt zudem zu wachsenden Müllhaufen und Gestank in den Straßen.

Eine Gruppe von Menschen versteckt sich im Dunkeln hinter Holzpaletten und Regenschirmen auf einer Straße. Man sieht eine Rakete brennen und es raucht.

Am Donnerstagabend stießen in Nantes Demonstranten mit der Polizei zusammen

In Marseille verwüsteten Demonstranten mehrere Geschäfte und setzten Müllbehälter in Brand. Dabei riefen sie nach Angaben der Nachrichtenagentur “Nieder mit dem Staat”. Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gab es laut AFP auch in Nantes, Rennes, Lille, Grenoble und Lyon.

Rentenreform per Dekret

Die Proteste sind eine Reaktion auf Emmanuel Macrons Entscheidung, die Rentenreform ohne Abstimmung im Parlament durchzudrücken. Geplant ist eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Zudem soll die Mindestrente bei voller Beitragszeit auf 1200 Euro angehoben und die Beschäftigung von Senioren gefördert werden. Mit der Reform will die Regierung die drohende Lücke in der Rentenkasse schließen. Seit Wochen gibt es Streiks und Demonstrationen dagegen.

Menschen sitzen in einem Halbkreis und halten Schilder mit der Aufschrift 64 Ans C'est Non!. Vorne steht eine Frau vor einem Rednerpult.

Parlamentsmitglieder der Linken halten Plakate hoch und singen die Marseillaise

Der Sonderartikel 49.3 ermöglicht es der Regierung in begrenzten Fällen bei Haushaltsfragen ein Gesetz ohne Absegnung im Nationalrat zu verabschieden, sofern sie anschließend ein Vertrauensvotum übersteht. Die Entscheidung führte auch im Parlament zu Tumulten. Premierministerin Élisabeth Borne schrie förmlich über die Rücktrittsforderungen der Opposition hinweg: “Diese Reform ist notwendig”.

Misstrauensvotum am Montag 

Bislang haben die rechtsextreme Partei Rassemblement National, der auch Marine Le Pen angehört und eine liberale Splitterpartei Misstrauensanträge angekündigt. Das Ergebnis hängt vor allem davon ab, ob die konservativen Republikaner mit der Regierung stimmen. Parteichef Eric Ciotti kündigte dies bereits an, es gibt jedoch abweichende Stimmen in seiner Partei.

Die Opposition hat bis Freitagnachmittag Zeit, um Misstrauensanträge einzubringen, über die voraussichtlich am Montag abgestimmt wird. Falls eine absolute Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmt, muss die Regierung zurücktreten. Dann könnte Präsident Macron einen neuen Premierminister ernennen oder Neuwahlen ausrufen.

Regierungsmitglieder bemühen sich derweil in Interviews um Schadensbegrenzung. Die Anwendung des Verfassungsartikels bedeute “kein Scheitern”, betonte Arbeitsminister Olivier Dussopt: “Es gibt einen Gesetzentwurf, und wenn die Misstrauensanträge abgelehnt werden, dann wird er auch in Kraft treten.”

fwü/djo (dpa, afp)