“Hogwarts Legacy”: Harry-Potter-Spiel in der Kritik

Videospiel-Fans, besonders jene, die mit der “Harry Potter”-Buchreihe aufgewachsen sind, freuen sich schon lange auf den 10. Februar, den Tag der Veröffentlichung des Action-Rollenspiels “Hogwarts Legacy”. Darin finden sich die Spielerinnen und Spieler in der Zaubererwelt des späten 19. Jahrhunderts wieder, wo sie zur Zaubererschule gehen, Besen reiten, magische Tränke zubereiten und Zaubersprüche und Flüche aufsagen können. Es ist der aktuellste Streich der “Wizarding World”, des Franchise-Imperiums rund um die von J. K. Rowling verfasste “Harry Potter”-Buchreihe.

Doch rund um die Veröffentlichung des Spiels hat sich eine hitzige Debatte entwickelt. Auf der einen Seite ist das Spiel eng mit J. K. Rowling verknüpft, die in den letzten Jahren mit ihren negativen Äußerungen über Transgeschlechtlichkeit für Aufsehen gesorgt hat. 2018 gab Rowling einem Tweet ein “Like”, der Transfrauen zu “Männern in Frauenkleidern” reduzierte. Ihr Team tat das damals als Ausrutscher ab, als ein typisches Missgeschick einer Person “mittleren Alters”. Inzwischen führt Rowling einen regelrechten Anti-Transgender-Feldzug und tut ihre Abneigung in Tweets, Blogeinträgen und ihren Romanen außerhalb der “Harry Potter”-Reihe kund. Ausgerechnet die als Philanthropin bekannte Rowling lässt Transfrauen nicht in ein von ihr gegründetes Frauenhaus. Zuletzt wetterte Rowling gegen die Erste Ministerin Schottlands, Nicola Sturgeon, da diese ein Selbstbestimmungsgesetz unterstützte, das es Transmenschen erleichtern soll, ihr Geschlecht zu ändern.

Ein Bild aus dem Spiel Hogwarts Legacy zeigt zwei Figuren, die auf Kreaturen zwischen Vogel und Pferd über eine felsige Uferlandschaft fliegen

Das Open-World-Rollenspiel “Hogwarts Legacy” verspricht viel Abwechslung

Hitzige Debatte im Netz

Vor diesem Hintergrund ließen Boykott-Aufrufe in den sozialen Medien gegen “Hogwarts Legacy” nicht lange auf sich warten. Rowling selbst beschuldigte die Transfrau und Gamerin Jessie Earl, die den Boykott unterstützt, des “Reinheitsdenkens” (engl. “purethink”) und verglich den Boykottaufruf mit Bücherverbrennungen. Die Debatte wurde so hart geführt, dass ein Gaming-Forum Threads zu dem Thema sogar komplett sperrte.

Doch es gibt auch Gamerinnen und Gamer, auch aus der Trans-Community selbst, die den Nutzen eines solchen Boykotts infrage stellen und der Meinung sind, dass “ethischer Konsum” innerhalb des weltweiten Kapitalismus ohnehin unmöglich sei. Sie empfehlen, das Spiel gebraucht oder sogar als Raubkopie zu besorgen. Andere sind dafür, die Schöpferin vom Werk zu trennen und argumentieren, dass die “Harry Potter Wizarding World” so wichtig für die Kindheit so vieler Menschen sei, dass ihre Bedeutung die Meinung der Autorin bei Weitem übersteige. 

Harry Potter Erfinderin J. K. Rowling posiert vor einem Filmplakat in einem blauen, weit ausgeschnittenen Kleid

Autorin mit kontroverser Haltung: J. K. Rowling

Kann man Werk und Autorin trennen?

Doch es wird immer schwieriger, die öffentlich geteilte Meinung dieser Schöpferin einer Fantasiewelt vom Kontext der sehr realen Bedrohung einer ohnehin schon marginalisierten Gruppe zu trennen. In einigen US-Staaten werden immer mehr Gesetze eingeführt, die die Rechte von Transmenschen einschränken sollen. Und in Europa hat zuletzt der offene Hass gegen die Community im Vereinigten Königreich zu Verstimmungen zwischen England und dem progressiveren Schottland geführt. Besonders Transfrauen mit sichtbarem Migrationshintergrund sind von transfeindlicher, teils sogar tödlicher Gewalt betroffen.

Der Spieleentwickler Portkey hat darauf hingewiesen, dass J. K. Rowling bei “Hogwarts Legacy”, obwohl es sich dabei um ein offiziell lizensiertes Spiel handelt, nicht involviert war. Dennoch wird sie als Inhaberin der Urheberrechte Lizenzgelder erhalten. Dazu führt das Spiel mit Sirona Ryan die erste Transgender-Figur der Wizarding World ein. Spielerinnen und Spieler haben auch die Möglichkeit, eigene Transgender-Charaktere zu erschaffen.

Antisemitische Klischees?

Mittlerweile steht nicht mehr nur die Anti-Transgender-Haltung von Rowling im Fokus der Debatte um das Spiel. Kritik gibt es auch an ihren Büchern, insbesondere an der Darstellung der Goblins. Sie würden antisemitische Klischees bedienen, lautet der Vorwurf. Sie würden als Geheimbund von hakennäsigen Bankern dargestellt. Eine der Aufgaben im Spiel ist es, eine Goblin-Rebellion niederzuschlagen. Diese fordern mehr Rechte, unter anderem den Gebrauch ihrer magischen Fähigkeiten.  

Drei Goblin-Figuren stehen in einem marmornen Saal mit Kronleuchter

Die Goblins reproduzieren Kritikern zufolge antisemitische Klischees

Auch die Firma Portkey selbst war zwischenzeitlich unter Beschuss geraten, da Troy Leavitt, einer ihrer Senior Producer, einen YouTube-Kanal betreibt, auf dem er seine anti-feministischen, misogynen und rechtspopulistischen Ansichten teilt. Leavitt hatte daraufhin gekündigt.

Einer oder all diese Faktoren könnten dazu führen, dass einige Gamer sich gegen den Kauf von “Hogwarts Legacy” entscheiden werden. Doch kurz vor Veröffentlichung des Spiels steht fest, dass die Boykott-Aufrufe gescheitert sind: “Hogwarts Legacy” ist auf zahlreichen Plattformen aktuell das bestverkaufte Spiel – obwohl es noch gar nicht erschienen ist. Die “Harry Potter Wizarding World” bleibt enorm erfolgreich und viele Menschen, die damit aufgewachsen sind, bleiben emotional eng mit ihr verbunden. Sogar wenn sie zu marginalisierten Gruppen gehören, die unter den Angriffen von J. K. Rowling leiden.

 

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.