Der WM-Traum von Papua Neuguineas Frauenteam

Ramona “Monty” Padio hat nicht auf ihre Mutter gehört. Zum Glück für die Frauenfußball-Mannschaft von Papua-Neuguinea. “Meine Mutter hatte Angst, dass ich Fußball spiele. Sie sagte mir, ich solle in der Schule bleiben”, erklärt die Mittelfeldspielerin der DW. “Aber meine Großeltern haben mir Mut gemacht, Fußball zu spielen.” Jetzt sind Padio und das Frauenteam nur noch 180 Minuten von einem historischen Erfolg entfernt – der ersten WM-Teilnahme.

Am 19. Februar trifft Papua-Neuguinea in einem von Neuseeland ausgerichteten Playoff-Turnier auf Panama. Wenn es dem amtierenden Ozeanien-Meister aus Papua-Neuguinea gelingt die Mittelamerikaner zu besiegen, wartet im Finale danach entweder Paraguay oder Taiwan. Die Siegerinnen dieses Endspiels qualifizieren sich für die WM-Gruppe F, zu der Frankreich, Brasilien und Jamaika gehören. “Es wird eine großartige Gelegenheit, gegen Brasilien zu spielen”, betont die 24-jährige Padio. “Im Moment sind meine Familie und Freunde aufgeregt und stolz darauf, dass ich es in die Playoffs geschafft habe. Und möglicherweise sogar zu einer Weltmeisterschaft, die nicht weit von Papua entfernt ist.”

Männern das Gegenteil beweisen

Viel näher könnte die WM wirklich nicht stattfinden. Papua-Neuguinea, ein Land mit rund zehn Millionen Einwohnern, liegt nur 150 Kilometer von der Nordspitze Australiens entfernt. Zusammen mit Neuseeland ist Australien Ausrichter der Frauen-WM in diesem Sommer. Papua-Neuguinea ist traditionell eine Rugby-verrückte, von Männern dominierte Gesellschaft. Mädchen und junge Frauen haben es deswegen schwerer als anderswo, wenn es darum geht, ihre sportlichen Träume zu verwirklichen.

Mittelfeldspielerin Ramona Padio (l.) aus Papua Neuguinea in einem Zweikampf beim Länderspiel gegen die Philippinen

Mittelfeldspielerin Ramona Padio (l.) beim Länderspiel gegen die Philippinen

“Die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen in Papua-Neuguinea bestehen oft darin, Pflichten im Haushalt zu erledigen und sich um Kinder und ältere Familienmitglieder zu kümmern”, erzählt Kath Hempenstall, Cheftrainerin des Frauen-Cricket-Teams des Landes, der DW. “Alle Sportlerinnen helfen dabei, Hindernisse abzubauen, indem sie sich nicht unbedingt an soziale und geschlechtsspezifische Normen halten und stattdessen ihre sportlichen Träume verfolgen.”

Journalistin Patricia Keamo, die für die Zeitung” The National” über das Frauenteam berichtet, stimmt zu. “Traditionell kommen wir aus einer patriarchalen Gesellschaft. Das ist eine Herausforderung für Frauen, nicht nur im Fußball, sondern in allen Lebensbereichen.” Eine weitere Herausforderung war die Tatsache, dass die Top-Frauenliga des Landes nur semi-professionell ist. Umso beeindruckender ist es, dass die Frauenmannschaft im vergangenen Juli den Ozeanien-Titel gewann. Im Finale bezwang sie das Team aus Fidschi mit 2:1.

“In der Vergangenheit galt die Aufmerksamkeit des nationalen Fußballverbandes vor allem den Männern. Aber jetzt sind die Frauen erfolgreich. Und das hat ihnen die Augen geöffnet”, sagt Keamo. “Diese Frauen haben vielen Menschen und vielen Männern das Gegenteil bewiesen.”

Erfahrener neuer Trainer an der Spitze

Spencer Prior möchte dem Team helfen, die Erwartungen weiter zu übertreffen. Der ehemalige Spieler von Manchester City und Leicester City verfügt über einen reichen Erfahrungsschatz als Trainer im Frauenfußball. Zuvor hat er bereits die Teams aus Thailand und Australien betreut. Im vergangenen November wurde er zum Cheftrainer von Papua-Neuguinea ernannt und sieht die größte Herausforderung darin, dass die Spielerinnen nicht daran gewöhnt sind, gegen Gegner von außerhalb ihrer Region anzutreten.

Spencer Prior Cheftrainer bei einer Pressekonferenz

Wurde im November 2022 verpflichtet: Papua Neuguineas Nationaltrainer Spencer Prior

“Wir haben im Dezember auf den Philippinen gespielt und das war eines der ersten Male seit Jahren, dass wir auf ein nicht-ozeanisches Team trafen”, erzählt Prior im Gespräch mit der DW. Die beiden Spiele gingen verloren, das eine mit 1:5, das andere gar mit 0:9.

“Die Ergebnisse sind mir egal”, sagt Prior. “Es ging darum, sich anderen Widerständen auszusetzen. Vorher haben sie immer gegen Fidschi, Samoa und Tonga gespielt, und das sind sehr körperbetonte Mannschaften mit vielen Zweikämpfen und Eins-gegen-Eins-Duellen.” Seine Spielerinnen sind diese harte Gangart gewöhnt, jetzt gehe es darum, sie abgeklärter zu machen: “Wir mussten ihnen beibringen, ein bisschen zu verteidigen, zu attackieren und nicht vom Platz gestellt zu werden”, fügt er hinzu.

Der kommende Playoff-Gegner Panama kommt aus einer Konföderation mit deutlich stärkeren Mannschaften, darunter der amtierende Weltmeister USA. “Sie haben gegen starke Teams in ihrer Region gespielt, und wir müssen hart arbeiten”, erklärt Prior. Etwas Optimismus gibt ihm der Eindruck, dass sein Team nach den Trainingslagern in Sydney und Wellington viel fitter und geschlossener ist. “Wir werden sicherlich als Außenseiter antreten. Aber wir müssen ohne Angst spielen. Das lähmt uns sonst körperlich und psychisch. Wir müssen unsere Struktur und Disziplin bewahren. Wenn uns das gelingt, haben wir eine kleine Chance.”

Ein Game-Changer für alle Frauensportarten?

Prior ist überzeugt, dass eine WM-Teilnahme für die Spielerinnen einen Wendepunkt bedeuten würde. “Rugby ist die beliebteste Sportart und sogar unsere Mädchen lieben Rugby. Aber die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft wird sicherlich viel mehr Interesse in allen Bereichen wecken”, betont er. “Es werden mehr Einnahmen in den Frauenfußball fließen, und das bedeutet mehr Investitionen und Begeisterung. Das muss der nächste Schritt sein.”

“Monty” Padio sieht es genauso. “Unsere Liga ist nicht so professionell wie in einigen anderen Ländern, aber wir können es schaffen … wir können sie schlagen”, sagt sie. “Und wenn wir zur Weltmeisterschaft kommen, wäre das gut für unser Land. Das Interesse am Frauenfußball würde steigen – und es würde etwas Geld generiert. Es wäre eine Ehre für uns alle.”

Aus dem Englischen adaptiert von Jens Krepela