Berlin und Katar wollen trotz Differenzen mehr Kooperation

Deutschland und das Emirat Katar wollen trotz offener Differenzen in Menschenrechtsfragen ihre politische Zusammenarbeit vertiefen. In Katars Hauptstadt Doha unterzeichneten Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr katarischer Kollege Mohammed bin Abdulrahman Al Thani eine Absichtserklärung über einen neuen “strategischen Dialog” zwischen beiden Ländern. Diese Form des Austausches mit dem Emirat verfolge das Ziel, “in Zukunft noch enger zusammenzuarbeiten und uns auszutauschen”, sagte Baerbock in Doha.

Die Grünen-Politikerin wies bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Kollegen auf anhaltende Differenzen etwa bei den Menschenrechten hin, die bei der angestrebten Vertiefung der Beziehungen nicht ausgespart werden dürften. “Belastbare bilaterale Beziehungen zeichnen sich dadurch aus, dass wir uns auch zu Themen austauschen können, bei denen wir deutlich unterschiedliche Sichtweisen haben” – etwa bei den Menschen- und Freiheitsrechten, sagte Baerbock. Auf die Frage einer Journalistin, ob bei der Zusammenarbeit mit einem so energiereichen und finanzstarken Land wie Katar der Markt wichtiger sei als die Moral, entgegnete Baerbock: “Nein, ich sehe da keinen Gegensatz.”

“Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen”

Lobend hob die Ministerin hervor, dass sich die rechtliche Lage der rund 2,6 Millionen Arbeitsmigranten in Katar durch Reformen der Regierung verbessert habe. Sie mahnte aber weitere Anstrengungen an: “Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen.” Mit den Reformen hatte das Fußball-WM-Gastgeberland Katar auf die internationale Kritik an den harschen Arbeitsbedingungen reagiert.

Al Thani wies seinerseits Kritik an der Menschenrechtslage in seinem Land zurück. Derartige Vorwürfe beruhten auf “Vorurteilen”, sagte der Minister. Katar habe Fortschritte im Bereich der Arbeitnehmer- und Menschenrechte gemacht. Im Verhältnis zu Deutschland respektiere seine Regierung, “dass es unterschiedliche Sichtweisen zwischen uns gibt”.

Außenministerin Annalena Baerbock wurde in Doha auch von Katars Emir, Tamim bin Hamad Al Thani (2. von rechts), empfangen

Außenministerin Baerbock wurde in Doha auch von Katars Emir, Tamim bin Hamad Al Thani (2. von rechts), empfangen

Die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Doha hatten sich zuletzt abgekühlt. Als Gastland der Fußball-WM 2022 war Katar in den Fokus internationaler Kritik geraten. In Katar hatte es für Verstimmung gesorgt, dass solche Kritik auch von deutschen Regierungsvertretern geäußert wurde. Das Verhältnis zu Deutschland sei dadurch aber nicht nachhaltig beschädigt worden, sagte nun Außenminister Al Thani. Seine Regierung verwahre sich lediglich gegen “Kritik, die grundlos ist”.

Deutschland und Katar unterhalten intensive Handelsbeziehungen. Das kleine Golfemirat ist wegen seiner reichen Gasvorkommen und seiner enormen Finanzkraft ein wichtiger wirtschaftlicher Partner für die Bundesrepublik. Und die Bedeutung des Emirats als Gaslieferant wird noch weiter wachsen. Im vergangenen Jahr schlossen beiden Länder einen auf 15 Jahre befristeten Vertrag zur Lieferung von Flüssiggas (LNG) ab. Der Warenaustausch summierte sich 2021 auf insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Davon entfielen 1,1 Milliarden Euro auf deutsche Exporte nach Katar.

Katar ist einer der größten ausländischen Investoren in Deutschland und unter anderem an Volkswagen, der Deutschen Bank, Siemens und Hapag-Lloyd substanziell beteiligt. Im vergangenen Jahr übernahm Katar zehn Prozent des deutschen Energiekonzerns RWE. Al Thani stellte weitere Investitionen Katars in Deutschland und eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Energiewende in Aussicht.

Das Regime des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad wird wieder von der Arabischen Liga akzeptiert

Das Regime des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad wird wieder von der Arabischen Liga akzeptiert

Baerbock: Arabische Liga kann Assads Brutalität nicht ignorieren

Baerbock äußerte sich bei der Pressekonferenz auch zur bevorstehenden Rückkehr Syriens in die Arabische Liga. Diese könne die Brutalität von Syriens Präsident Baschar al-Assad nicht ignorieren. Diese “Brutalität gegen das eigene Volk” habe die internationale Gemeinschaft in mehreren Resolutionen deutlich gemacht, betonte die Außenministerin. Das könne man auch “in dieser Nachbarschaft” nicht ignorieren, sagte sie mit Bezug auf die Golfregion.

Die Arabische Liga hatte kürzlich eine Wiederaufnahme Syriens in die etwa 20 Mitglieder zählende Organisation beschlossen. Das Regime in Damaskus war nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien 2011  jahrelang isoliert. Am Freitag findet in Saudi-Arabien das Gipfeltreffen der Liga statt, zu dem auch Assad erwartet wird.

sti/uh (afp dpa)