50+1-Regel: Wie der Einfluss der Investoren im Fußball beschränkt wird

Die 50+1-Regel gilt als letztes Bollwerk des deutschen Vereinsfußballs gegen das ganz große Kapital. Sie macht es bislang unmöglich, dass etwa, wie in England oder Frankreich geschehen, milliardenschwere Investoren aus dem Nahen Osten Vereine der ersten und zweiten Bundesliga übernehmen und über die sportlichen Geschicke entscheiden.

Festgeschrieben ist die Regel seit Anfang 1999 im Grundlagenvertrag des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL). Danach erhalten die Klubs nur dann eine Spiel-Lizenz, wenn bei Versammlungen der “Mutterverein” über “50 Prozent der Stimmenanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmenanteils” verfügt. Das bedeutet: Auch wenn ein Großinvestor die finanzielle Kontrolle übernimmt, darf er nicht über die Mehrheit der Stimmen verfügen, damit er von den Vereinsmitgliedern noch überstimmt werden kann.

Nur noch zwei Ausnahmen

Ausnahmen sind nur dann erlaubt, wenn ein Investor “seit mehr als 20 Jahren den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat”, wie es im Grundlagenvertrag heißt. Zunächst wurde der Sonderstatus nur dem Werksklubs Bayer 04 Leverkusen gewährt, der vom Chemiekonzern Bayer finanziert wird. 2001 kam der VfL Wolfsburg dazu, eine hundertprozentige Tochter des Automobilkonzerns Volkswagen, sowie 2015 die TSG Hoffenheim, in die der Mäzen Dietmar Hopp seit mehr als 30 Jahren insgesamt angeblich rund 350 Millionen Euro gepumpt hat. Hopp gehörte 1972 zu den Gründern des erfolgreichen deutschen Software-Unternehmens SAP.

Am Mittwoch (1. März 2023) kündigte Hoffenheim an, dass der Milliardär seine “Stimmrechtsanteile ohne Entschädigung zurück an den Verein übertragen” werde und der Bundesligist damit in den Kreis der 50+1-Regel-Klubs zurückkehre.

DFB-Pokalsieger RB Leipzig nutzt eine Grauzone. Offiziell hält der Bundesligist die 50+1-Regel ein: Obwohl der österreichische Brausekonzern Red Bull 99 Prozent des Kapitals hält, liegt die Stimmenmehrheit beim “Mutterverein” RasenBallsport Leipzig e.V. Stimmberechtigt sind aktuell nur 20 Mitglieder, die meisten davon habe enge Verbindungen zu Red Bull. Zum Vergleich: Der FC Bayern München hat rund 300.000 Mitglieder, von denen theoretisch alle ab 16 Jahren abstimmen dürfen.

DFL muss nachbessern

Das Bundeskartellamt, das in Deutschland kontrolliert, ob das deutsche und das europäische Wettbewerbsrecht beachtet wird, hatte Ende Mai 2021 die 50+1-Regel grundsätzlich für “unbedenklich” erklärt. Begründung: Mit der Regel solle ein ausgeglichener sportlicher Wettbewerb sichergestellt werden. Allerdings, so die Bundesbehörde, sei die Ausnahmeregel problematisch. Dadurch entstehe ein “Wettbewerbsnachteil für die von der Ausnahme nicht profitierenden Klubs”. Die DFL wurde aufgefordert, die Sonderregel eindeutiger zu gestalten.

Während juristische Vorstöße gegen die 50+1-Regel in Deutschland bisher ins Leere liefen, könnte auf europäischer Ebene Ungemach drohen. Ein luxemburgischer Profiverein hat die UEFA und den nationalen Verband verklagt und fordert auch im Fußball den in der Europäischen Union garantierten freien Kapitalverkehr. Sollten die Kläger Recht bekommen, könnte auch die 50+1-Regel kippen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, wo es in der dortigen Bundesliga ebenfalls eine solche Beschränkung der Investorenrechte gibt.

Kritiker der 50+1-Regel beklagen, dass die Vereine dadurch gegenüber der internationalen Konkurrenz sportlich ins Hintertreffen geraten, da Investoren mehr Geld in Ländern lockern machen, wo sie in den Klubs ungehindert schalten und walten können. Zu den Befürwortern des 50+1-Prinzips zählen unter anderem Fanorganisationen, die sich gegen eine immer weiter ausufernde Kommerzialisierung des Fußballs stemmen.